Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung der Leistungsbeschreibung; Weiterführung des Vergabeverfahrens
Leitsatz (amtlich)
1. Ist die Leistungsbeschreibung entgegen § 8 Nr. 1 (1) VOL/A nicht eindeutig, kann die Vergabestelle die Ausschreibung gem. § 26 Nr. 1d) VOL/A aufheben oder eine Klarstellung ggü. den Bewerbern veranlassen (§ 17 Nr. 6 (2) VOL/A).
2. Die Weiterführung des Vergabeverfahrens ist dann möglich, wenn die mehrdeutige Klausel von allen Bietern im selben Sinne verstanden wird.
Normenkette
VOL/A § 21 Abs. 1 (4)
Verfahrensgang
LG Gießen (Urteil vom 13.10.2006; Aktenzeichen 5 O 54/05) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Gießen vom 13.10.2006 - Az.: 5 O 54/05 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten und der Streithelferin gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte beziehungsweise die Streithelferin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch, weil er in einem Ausschreibungsverfahren den Zuschlag nicht erhalten hat.
Die Beklagte schrieb im Jahre 2004 Leistungen zur Einführung von getrennten Abwassergebühren in O1 in einer beschränkten Ausschreibung aus. Durch Schreiben vom 9.1.2004 forderte die Beklagte u.a. den Kläger zur Abgabe eines Angebots auf. In dem beigefügten Formblatt EVM (L) A wurde unter Nr. 4 darauf hingewiesen, dass die Erteilung des Auftrages vom Nachweis der fachlichen Kompetenz und Leistungsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit des Angebotes, Bewertung der Angebotspräsentation abhängig gemacht werden kann. In der Anlage EVM (L) BwB erklärte die Beklagte, dass das Vergabeverfahren nach der Verdingungsordnung für Leistungen Teil A erfolge (Bl. 11-13 d.A.). Ferner war dem Schreiben der Beklagten das von der Streithelferin erstellte Leistungsverzeichnis beigefügt. Dieses enthielt unter 1.1.2 die Durchführung eines Bildfluges, unter 1.1.7 eine "Orthophotogenerierung" sowie unter 1.2.1 die Versiegelungskartierung. Unter dieser Position heißt es u.a.: "Die Auswertung hat dreidimensional im stereoskopischen Auswertesystem zu erfolgen. Die kleinste zu messende Fläche beträgt 2 qm."
Unter 1.5.1 wurde ein 3-D Gebäudemodell verlangt, wobei zur Herstellung des Gebäudemodells die in Titel 1.2 gemessenen Gebäudepolygone zu übernehmen waren. Der Kläger wandte sich mit E-Mail vom 15.11.2004 an die Beklagte und meldete mehrere Unzulänglichkeiten der Leistungsbeschreibung an. Dabei bemängelte er u.a., dass das vorgesehene Gebäudemodell die Dachflächen lediglich über dem aufgehenden Mauerwerk digitalisiere, was aus seiner Sicht angesichts der vor allem bei historischen Gebäuden sehr vielfältigen Dachformen, Dachgauben und anderen prägenden Details zu wenig und die falsche Vorgehensweise sei; gemäß dem Text des Leistungsverzeichnisses sei lediglich ein "Würfelmodell" zu erwarten, das nicht sinnvoll weiterverwendbar sei. Die Beklagte antwortete dem Kläger aufgrund einer von der Streithelferin eingeholten Stellungnahme vom 16.11.2004 mit Schreiben vom 18.11.2004 und teilte u.a. mit, das beschriebene Verfahren der Gebäudemodellbildung bilde die Basis für ein dreidimensionales Stadtmodell in Form von Quadern; ein solches Modell sei ausreichend für die wesentlichen städteplanerischen Aspekte. Aus ihrer Sicht bestehe kein Anlass für eine grundlegende Änderung der Ausschreibung, mit Ausnahme einer Textänderung in Position 1.2.6. Darauf antwor-
tete der Kläger wiederum mit E-Mail vom 19.11.2004 (Anlagen B 3 - B 5 sowie Bl. 67/68 d.A.).
Mit Anschreiben vom 30.11.2004 legte der Kläger sein Angebot vor, wegen dessen Inhalts auf die Anlage B 1 Bezug genommen wird. In dem Anschreiben verwies er darauf, dass er "das Ergebnis der Position 3 D-Gebäudemodell ... abweichend vom Leistungsverzeichnis in einer wesentlich höheren Qualität als gefordert liefern werde" (Bl. 274 d.A.). Von den insgesamt sieben eingegangenen Angeboten war dasjenige des Klägers mit 186.575,63 EUR das niedrigste für Los 1 (Los 2 betraf einen Bildflug über die Gemeinde O2, das jedoch nicht beauftragt wurde). Die Beklagte führte mit den drei nach der Angebotssumme erstplatzierten Bietern, nämlich dem Kläger, der Firma A AG, ..., sowie der B GmbH, ..., Bietergespräche durch. Das Bietergespräch mit dem Kläger fand am 5.1.2005 statt. Aufgrund der Bietergespräche erstellte die Beklagte in Zusammenarbeit mit der Streithelferin eine Bewertungsmatrix, in der die fachliche Qualifikation, die personelle Besetzung, die technische Ausstattung, die Zuverlässigkeit und die Termintreue sowie das Preisangebot gewertet wurden. Danach war der Kläger Drittplatzierter. Den Auftrag erteilte die Beklagte der erstplatzierten Bieterin, A AG. Wegen der Einzelheiten wird auf das Vergabeprotokoll (Anlage B 6) verwiesen.
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