Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordentliche Kündigung eines Bezirksstellenleiters durch staatliches Lotterieunternehmen
Leitsatz (amtlich)
Die Tätigkeit eines Bezirksstellenleiters für ein staatliches Lotterieunternehmen bildet keinen eigenen Markt, sondern ist mit anderen gewerblichen Tätigkeiten als Vermittler von Dienstleistungen, insbesondere auch bei privaten Glücksspielveranstaltern, austauschbar.
Ein staatliches Lotterieunternehmen unterliegt im Verhältnis zu einem Bezirksstellenleiter keinem Kontrahierungszwang, der zu einer eingeschränkten ordentlichen Kündigungsmöglichkeit führen könnte.
Normenkette
GWB §§ 19, 20 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 27.12.2012; Aktenzeichen 3-6 O 50/12) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Frankfurt/M. - 6. Kammer Main - 6. Kammer für Handelssachen - vom 27.12.2012 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann eine Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger war auf der Grundlage eines Handelsvertretervertrages vom 19.2.2009 für die Beklagte als Bezirksleiter tätig. Die Beklagte ist ein Beteiligungsunternehmen des Landes Hessen. Sie führt im Auftrag und für Rechnung der hessischen Lotterieverwaltung die von dieser veranstalteten Staatslotterien durch und organisiert den Vertrieb und das Marketing der Lotterien. Der Kläger war vor seiner Handelsvertretertätigkeit für die Beklagte in gleicher Funktion für die A GmbH & Co. oHG in Nordrhein-Westfalen tätig.
Mit Schreiben vom 21.11.2011 kündigte die Beklagte den Handelsvertretervertrag ordentlich zum 29.2.2012. Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam und verlangt von der Beklagten Zahlung einer Abschlagsprovision i.H.v. 25.685,02 EUR nebst Zinsen für die Zeit von März bis Mai 2012.
Wegen der weiter gehenden Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und der tatsächlichen Feststellungen wird der Tatbestand des angefochtenen Urteils gem. § 540 Abs. 1 ZPO in Bezug genommen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Es hat gemeint, die Zusage einer festen Laufzeit des Vertrages - abweichend von der Kündigungsregelung in § 8 Abs. 1 - sei nicht festzustellen. Die Beklagte sei auch nicht Normadressatin des § 20 Abs. 1 oder 2 GWB. Ergänzend wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine Zahlungsansprüche weiter verfolgt und zu deren Begründung er im Wesentlichen vorträgt:
Die Beklagte sei aufgrund ihrer marktbeherrschenden Position daran gehindert, ihm gegenüber ein bestehendes Vertragsverhältnis ohne sachlich rechtfertigenden Grund zu kündigen. Das LG habe in der angefochtenen Entscheidung den sachlich und räumlich relevanten Markt im Hinblick auf die vertragliche Funktion des Klägers nicht zutreffend, nämlich nicht eng und spezifisch genug, bestimmt. Er, der Kläger, sei nicht in der Lage, sein Angebot auf die Erbringung der Funktionsleistungen für andere Nachfragegruppen umzustellen. Das LG stelle unzutreffend für die Marktabgrenzung generell auf Handelsvertreterleistungen ab. Der Bezug zu der monopolistisch organisierten Vertriebsstruktur der Beklagten werde dabei ausgegrenzt. Zur Beurteilung stehe nicht eine generelle Tätigkeit eines Handelsvertreters, sondern die sehr konkret, spezifisch und eng abgrenzbare Funktion als Bezirksleiter für das Lotteriegeschäft. Diese weise einen ausgesprochen hohen Grad an Spezialisierung und unternehmensbezogenen Aufgaben aus. Es sei nicht nachvollziehbar, wenn das LG ausführe, seine vertraglich geschuldete Leistung erfordere keine überdurchschnittlichen, außergewöhnlichen Fachkenntnisse. In der Sache gehe es um den Markt für die mit spezifischen Aufgaben ausgestatteten Funktionsträger in der mittleren Führungsebene des Lotteriegeschäftes in Hessen. Lege man mit der Berufung ein enges und spezifiziertes Verständnis der in Frage stehenden Dienstleistung zugrunde, handele es sich um einen Angebotsmarkt. Eine Austauschbarkeit ergebe sich aus der Perspektive des Klägers lediglich in Bezug auf Bezirksleiterfunktionen in anderen Bezirken in Hessen oder in anderen Bundesländern. Räumlich begrenzt sei der relevante Markt auf das Land Hessen. Da die Funktion als Bezirksleiter in Hessen auf der mittleren Führungsebene des Vertriebssystems der Beklagten ausschließlich von der Beklagten angeboten und vergeben werde, entfalte die Beklagte eine Angebotsmacht, die nicht durch irgend eine Ausweichmöglichkeit erschüttert werden könne. Auch in BGHZ 170, 273 sei der BGH von einer vollständigen Marktbeherrschung durch die Staatslotterie ausgegangen. Auch wenn man von einem Nachfragemarkt ausgehe, verfüge die Beklagte als Nachfrager über ein absolutes Monopol. Er, der Kläger, s...