Entscheidungsstichwort (Thema)
Gutschein-Sammelaktion für Schokoriegel
Leitsatz (amtlich)
1. Eine gezielt an Kinder und Jugendliche gerichtete Wertreklame, in der die Gewährung von Zugaben bei der sukzessiven Abnahme bestimmter Warenmengen versprochen wird, ist nicht generell wettbewerbswidrig.
2. Eine Werbeaktion, bei der für den Kauf von 25 Schokoladenriegeln während eines längeren Zeitraums ein bei amazon.de einzulösender Gutschein über 5 EUR als Prämie versprochen wird, ist, auch wenn sich die Aktion (auch) gezielt an Kinder und Jugendliche richtet, nicht geeignet, deren geschäftliche Unerfahrenheit auszunutzen.
Normenkette
UWG §§ 3, 4 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 14.10.2004; Aktenzeichen 2-3 O 35/04) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14.10.2004 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Frankfurt am Main abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das LG hat die Beklagte verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs auf der Verpackung des Produkts "Lion" für eine Sammelaktion - hier 25 N-Screens - wie nachfolgend abgebildet zu werben:
(Es folgt die Abbildung.)
Zur Begründung hat das LG ausgeführt, dem Kläger stehe ein Unterlassungsanspruch gem. §§ 3, 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG n.F. zu, weil die Kunden in wettbewerbswidriger Weise angelockt würden. Es sei davon auszugehen, dass sich die ausgelobte Sammelaktion in erster Linie an Kinder und Jugendliche richte. Auch nach der Liberalisierung des Zugabe- und Rabattwesens sei es im Wettbewerb besonders verwerflich, mit Zugaben, die auf die Mentalität von Kindern und Jugendlichen zugeschnitten seien, den Kaufanreiz in einem Maße zu verstärken, das die Rationalität der Nachfrageentscheidung vollständig in den Hintergrund treten lasse.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.
Die Beklagte ist der Auffassung, das LG habe nicht davon ausgehen dürfen, dass sich die beanstandete Werbeaktion in erster Linie an Kinder und Jugendliche richte. Sie weist in diesem Zusammenhang erneut auf das von ihr bereits in der 1. Instanz vorgelegte Gutachten der Gesellschaft für Konsumforschung hin, wonach die von die Werbeaktion einbezogenen Schokoriegel "Nuts" und "Lion" in erster Linie von der Gruppe der 40- bis 49-Jährigen, gefolgt von der Gruppe der 30- bis 39-Jährigen, konsumiert würden. Auch würden von einem Gutschein für einen Einkauf bei dem Internet-Anbieter amazon.de im Wert von 5 EUR keineswegs in erster Linie Kinder und Jugendliche, sondern ebenso Erwachsene angesprochen.
Mit Rücksicht auf den Wegfall der Zugabeverordnung verstoße die beanstandete Wettbewerbshandlung weder gegen § 4 Nr. 1 noch gegen § 4 Nr. 2 UWG.
Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
II. Die Berufung ist zulässig und begründet.
Die in die Zukunft gerichtete Unterlassungsklage hätte nur dann Erfolg gehabt, wenn die beanstandete Werbeaktion unlauter i.S.v. §§ 3, 4 UWG n.F. wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Gemäß § 4 Nr. 2 UWG ist eine Wettbewerbshandlung unlauter, die geeignet ist, die geschäftliche Unerfahrenheit insb. von Kindern und Jugendlichen auszunutzen.
Dies setzt zunächst voraus, dass sich die Werbung - zumindest auch - gezielt an Kinder und Jugendliche wendet (Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 4 Rz. 2.16; OLG Frankfurt, Urt. v. 12.5.2005 - 6 U 24/05, MDR 2005, 760 ff.), was nach dem Empfängerhorizont zu beurteilen und im vorliegenden Fall bereits sehr zweifelhaft ist.
An der Gutscheinaktion der Beklagten nehmen neben dem Schokoriegel "Lion" vier weitere Produkte der Beklagten teil, nämlich "Lion Peanut", "Kitkat", "Kitkat Chunky" und "Nuts". Die Beklagte hat ein Gutachten der Gesellschaft für Konsumforschung vorgelegt, aus welchem sich ergibt, dass die von der Werbeaktion einbezogenen Schokoriegel "Nuts" und "Lion" in erster Linie von der Gruppe der 40- bis 49-Jährigen, gefolgt von der Gruppe der 30- bis 39-Jährigen, gekauft werden. Auch der Riegel "Kitkat" ist kein typisches Kinderprodukt. Der ausgelobte Gutschein gilt für einen Einkauf bei amazon.de, einem Internet-Anbieter, dessen Produktpalette an Büchern, CDs, DVDs und anderem sich ...