Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkehrsunfall. Zurücktreten eines geringen Verursachungsbeitrages des Unfallgegners bei grob verkehrswidrigem Befahren einer Busspur
Normenkette
BGB § 254; StVG §§ 9, 17 Abs. 1-2; StVO § 1 Abs. 2, § 10
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 19.04.2011; Aktenzeichen 2-7 O 350/10) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 19.04.2011, Aktenzeichen 2 -07 O 350/10, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht in Anspruch aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich am 20.01.2010 auf der A-Straße in O ereignet hat und an dem die Beklagte zu 2) als Fahrzeugführerin und die Klägerin als Fahrradfahrerin beteiligt waren.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung folgendes ausgeführt: Die Klägerin könne kein Schmerzensgeld verlangen. Eine Haftung der Beklagten komme nicht in Betracht, da der der Klägerin gemäß §§ 9, 17 Abs. 1 StVG, 254 BGB anzurechnende Mitverschuldensanteil so erheblich sei, dass der von der Beklagten zu 2) zu berücksichtigende Verursachungsbeitrag außer Betracht zu bleiben habe.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass die Klägerin grob verkehrswidrig unter Verstoß gegen §§ 1 Abs. 2, 2 Abs. 2 StVO die Busspur entgegen der Fahrtrichtung am äußeren linken Rand befahren habe und dabei nicht auf den links verlaufenden Bürgersteig bzw. Fahrbahnrand geachtet habe. Nach ihrer eigenen Erklärung habe die Klägerin während der Fahrt geradeaus gesehen und auf möglicherweise entgegenkommenden Verkehr geachtet. Das von der Beklagten zu 2) gesteuerte Fahrzeug habe sie vor den Zusammenstoß gar nicht wahrgenommen. Da die Klägerin verkehrswidrig die linke Busspur benutzt habe, hätte sie besonders vorsichtig sein müssen, um sicherzugehen, dass auffahrende Fahrzeuge sie bemerken und sie rechtzeitig bremsen kann.
Der Beklagten zu 2) falle hingegen allenfalls ein geringfügiges Verschulden zur Last. Die Zeugin Z habe glaubhaft bestätigt, dass die Beklagte zu 2) das Fahrzeug an der Busspur angehalten habe und nach links gesehen habe und dann langsam angefahren sei, bevor die Klägerin gestürzt sei. Ob die Beklagte zu 2) nach rechts gesehen habe, habe die Zeugin weder bestätigen noch ausschließen können. Aufgrund der Betonsäulen habe die Beklagte zu 2), um freie Sicht nach rechts zu erhalten, mit dem Fahrzeug über die Bordsteinkante ein Stück auf die Busspur fahren müssen. Bei dieser Sachlage sei davon auszugehen, dass die Beklagte zu 2) allenfalls geringfügig gegen die ihr obliegenden Sorgfaltspflichten aus § 10 Satz 1 StVO verstoßen habe, indem sie langsam vom Bürgersteig auf die Busspur aufgefahren sei, ohne sich von einem Dritten einweisen zu lassen. Mit der grob verkehrswidrigen und unvorsichtigen Nutzung der Busspur durch die Klägerin habe die Beklagte zu 2) nicht rechnen brauchen, zumal auch für die Klägerin, die durch die Säulen eingeschränkte Sichtmöglichkeit deutlich gewesen sei und sie durch ihre Fahrweise (am äußeren linken Rand der Busspur) die Sichtverhältnisse noch verschlechtert habe.
Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf das landgerichtliche Urteil (Bl. 193ff. d.A.) Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der Berufung und verfolgt ihre erstinstanzlichen Klageanträge weiter.
Zur Begründung trägt sie folgendes vor:
Unzutreffend habe das Landgericht unterstellt, dass die Klägerin auf die Grundstücksausfahrt und auf einfahrende Fahrzeuge nicht geachtet habe. Vorliegend sei es so, dass sich die Grundstücksausfahrt teilweise verdeckt unterhalb des Hauses befände und daher auf die Fahrbahn einfahrende Fahrzeuge erst spät wahrgenommen werden könnten. Gegen die Unachtsamkeit der Klägerin und die Annahme grob verkehrswidrigen Verhaltens spreche auch schon die Angabe der Zeugin Z, dass auch die Klägerin sehr langsam gefahren sei. Soweit das Landgericht unterstellt habe, die Klägerin habe einen groben Verkehrsverstoß begangen, indem sie entgegen der Fahrtrichtung am äußeren linken Rand der Busspur gefahren sei, könne dem nicht gefolgt werden. Dieser Umstand sei entgegen der landgerichtlichen Feststellungen nicht erwiesen. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den Berufungsbegründungsschriftsatz vom 14.07.2011 (Bl. 228ff. d.A.) Bezug genommen.
Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil und wiederholen und vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Berufungserwiderungsschriftsatz vom 20.02.2012 (Bl. 275ff. d.A.) Bezug genommen.
II. 1. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
2. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die angefochtene Ents...