Leitsatz (amtlich)
1. Auf ein unabwendbares Ereignis kann sich nicht berufen, wer zu einem Verkehrsunfall durch das Überfahren einer durchgezogenen Linie beigetragen hat.
2. Der nichtberechtigte Benutzer einer Busspur, kann gegenüber einem rechtsabbiegenden Verkehrsteilnehmer keinen Vorrang des Geradeausfahrenden in Anspruch nehmen.
3. Bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge ist in Ermangelung besonderer Umstände eine Haftungsquote von 2/3 für den Geradeausfahrenden nicht zu beanstanden.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 113/18) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Die Klägerin hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der auf Dienstag, 13.08.2019, 10:30 Uhr, bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung wird aufgehoben.
4. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 3.742,88 EUR festzusetzen.
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des
Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Zu Recht hat das Landgericht die Klage - nach teilweiser Regulierung durch die Beklagte - vollumfänglich abgewiesen. Die Festlegung der Haftungsquote ist in den durch § 529 ZPO dem Senat gezogenen Grenzen nicht zu beanstanden. Im Ergebnis konnte das Landgericht auch die Klage ohne vorherige Einholung des klägerseits beantragten unfallanalytischen Sachverständigengutachtens abweisen. Die hiergegen gerichteten Berufungsangriffe greifen nicht durch. Die Berufung zeigt keine konkreten Zweifel an der Richtigkeit der Tatsachenfeststellungen des Landgerichts auf, die es im Rahmen des § 529 ZPO gebieten würden, eine erneute/ergänzende Beweisaufnahme durchzuführen oder die erhobenen Beweise anders zu würdigen.
1. Der Verkehrsunfall hat sich sowohl beim Betrieb des bei der Klägerin als auch beim Betrieb des von der Beklagten versicherten Fahrzeuges ereignet, § 7 Abs. 1 StVG. Der Unfall wurde nicht durch höhere Gewalt (§ 7 Abs. 2 StVG) verursacht. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Verkehrsunfall bei Anwendung höchster Sorgfalt für jeden Unfallbeteiligten vermeidbar gewesen wäre, liegt auch kein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs.
3 StVG vor. An dieser Stelle bedarf es der Einholung des klägerseits erstinstanzlich mehrfach beantragten unfallanalytischen Sachverständigengutachtens nicht. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass das Landgericht die Ablehnung seines Beweisangebotes nicht unter Hinweis auf seine im Schriftsatz vom 14.01.2019, dort S. 2 getätigte Äußerung hätte stützen dürfen, wonach die Klägerseite die Einholung des zuvor angebotenen Sachverständigengutachtens "für nicht erforderlich" halte, "da nach Aktenlage und Schilderung des Zeugen T ... W ... eine alleinige Unfallverursachung durch das bei der Beklagten versicherte Fahrzeug spricht" (Bl. 65 dA). Denn bei verständiger Würdigung konnte nach zuvor drei Mal beantragter Einholung des Sachverständigengutachtens diese Äußerung nur so verstanden werden, dass das Sachverständigengutachten nur unter der Prämisse für entbehrlich gehalten werde, dass die alleinige Unfallverursachung durch den Zeugen W ... bereits feststehe. Dennoch bedurfte und bedarf es im Ergebnis weder für die Frage der Unvermeidbarkeit noch auch für die Frage der Gewichtung der Verursachungsbeiträge (zu letzterem siehe unten unter 2.) der Einholung des Gutachtens, denn jedes denkbare mögliche Ergebnis der Begutachtung hätte nicht zur Folge gehabt, dass das Landgericht verpflichtet gewesen wäre, eine andere Gewichtung der Verursachungsbeiträge als die tatsächlich erfolgte vorzunehmen.
Zunächst gilt, dass der Unfall bereits deshalb nicht "unabwendbar" für das bei der Klägerin versicherte Fahrzeug war, weil der Zeuge W ... den Unfall ohne weiteres hätte vermeiden können, wenn er nicht unter Überfahren einer durchgezogenen Linie sich in einem für ihn und sein Fahrzeug verbotenen Bereich aufgehalten hätte. Denn dann hätte sich die Frage des Überholens des einen oder anderen Fahrzeugs oder des Einscherens nicht gestellt, weil er zwangsläufig entweder hinter oder vor dem bei der Beklagten versicherten Fahrzeug sich befunden hätte. Es ist mithin ausgeschlossen, dass es zu der Gemengelage mit zwei nebeneinander fahrenden Autos gekommen wäre, wenn der Zeuge W ... in der für sein Fahrzeug vorgesehenen Fahrspur geblieben wäre (vgl. LG Aachen, Urt. v. 05.03.2002 - 1 O 507/00, Rz. 14 nach juris; KG Berlin, Urt. v. 05.06.2000 - 12 U 9266/98, Rz. 4, 14, jeweils nach j...