Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessung des kleinen Schadensersatzes in Dieselfällen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Geltendmachung des kleinen Schadensersatzes ist auch im Rahmen des § 852 BGB möglich.
2. Für den Restschadensersatzanspruch aus § 852 BGB macht das Unionsrecht keine Vorgaben.
Normenkette
BGB §§ 214, 826, 852; ZPO § 287
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 11.11.2022; Aktenzeichen 2-12 O 75/22) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11. November 2022 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits im zweiten Rechtszug hat der Kläger zu tragen.
Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil vom 11. November 2022 sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Von einer Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil und von der Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen wird gemäß den §§ 540 Abs. 1, 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II. 1. Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
a. Soweit der Kläger im zweiten Rechtszug mit Schriftsatz vom 3. Februar 2023 (Bl. 501 ff. d. A.) nunmehr statt des bisher geltend gemachten sog. "großen" Schadensersatzanspruchs nach § 826 BGB den sog. "kleinen" Schadensersatz geltend macht, ist dies allerdings auch ohne Einwilligung der Beklagten möglich. Eine Klageänderung gemäß § 533 ZPO liegt bei einem Wechsel von der Geltendmachung des "großen" auf den "kleinen" Schadensersatzanspruch nicht vor, da es insoweit lediglich um die Berechnungsmethode in Bezug auf den Schaden geht. Wechselt der Geschädigte die Art der Schadensberechnung, ohne seinen Antrag auf einen abgewandelten Lebenssachverhalt zu stützen, liegt hierin gerade keine Klageänderung (vgl. etwa BGH, Urteil vom 09.10.1991 - VIII ZR 88/90 -, BGHZ 115, 286, 289 ff.; Urteil vom 09.05.1990 - VIII ZR 237/89 -, WM 1990, 1748, 1749 f.; Urteil vom 23.06.2015 - XI ZR 536/14 -, NJW 2015, 3160, 3161; OLG Saarbrücken, Urteil vom 26.01.2022 - 2 U 139/21 -, juris; OLG Köln, Urteil vom 23.08.2022 - I-3 U 190/21 -, juris). Es handelt sich bei Beanspruchung des Minderwerts lediglich um eine andere Bemessung des Vertrauensschadens (vgl. etwa BGH, Urteil vom 24.01.2022 - VIa ZR 100/21 -, NJW-RR 2022, 1033, 1034; OLG Köln, Urteil vom 23.08.2022 - I-3 U 190/21 -, juris).
b. Der von dem Kläger zuletzt gegen die Beklagte geltend gemachte Anspruch steht ihm nicht zu.
Ursprünglich stand dem Kläger gegen die Beklagte allerdings - wie vom Landgericht zutreffend erkannt - dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB zu. Dass die Beklagte durch das Inverkehrbringen des mit einem Motor des Typs EA 189 ausgestatteten Fahrzeugs eine unerlaubte Handlung im Sinne des § 826 BGB begangen hat, bedarf in Anbetracht der zutreffenden Ausführungen des Landgerichts, die im Berufungsrechtszug von keiner Seite in Zweifel gezogen worden sind, keiner weiteren Erörterung mehr. Dieser Anspruch war von dem Kläger sowohl im ersten Rechtszug als auch noch in der Berufungsbegründung zunächst auf den sog. "großen" Schadensersatzanspruch, das heißt, auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich der Nutzungsvorteile Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs gerichtet. Dem geschädigten Käufer steht es jedoch frei, im Rahmen des Anspruchs aus § 826 BGB statt des "großen" Schadensersatzes vielmehr den "kleinen" Schadensersatz zu wählen, wobei er das Fahrzeug behält und als Schaden den Betrag ersetzt verlangt, um den er den Kaufgegenstand - gemessen an dem objektiven Wert von Leistung und Gegenleistung - zu teuer erworben hat (vgl. etwa BGH, Urteil vom 06.07.2021 - VI ZR 40/20 -, NJW 2021, 3041, 3042; Urteil vom 24.01.2022 - VIa ZR 100/21 -, NJW-RR 2022, 1033, 1034), wobei es grundsätzlich auf den Vergleich der Werte von Leistung und Gegenleistung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankommt (vgl. etwa BGH, Urteil vom 01.12.2022 - VII ZR 492/21 -, juris). Da es sich hierbei nur um die Bemessung des verbliebenen Vertrauensschadens und nicht um die Frage einer Anpassung des Vertrags handelt, braucht der Geschädigte in diesem Fall auch nicht nachzuweisen, dass sich der Vertragspartner auf einen Vertragsschluss zu einem niedrigeren Preis eingelassen hätte (vgl. BGH, Urteil vom 06.07.2021 - VI ZR 40/20 -, NJW 2021, 3041, 3044; OLG Köln, Urteil vom 23.08.2022 - I-3 U 190/21 -, juris).
Die Bemessung des kleinen Schadensersatzes richtet sich dabei in den sog. "Dieselfällen" nach dem objektiven Wert des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Vertragsschlusses, bei dessen Bestimmung die mit der Prüfstanderkennungssoftware verbundenen Nachteile, insbesondere das Risiko dem Kläger nachteiliger behördlicher Anordnungen, zu berücksichtigen sind. Aus der Existenz einer unzulässigen Abschalteinrichtung und der daraus gegebenenfalls resultierenden Stilllegungsgefahr ergeben sich hinreichende Anhaltspunkte für einen objektiven Minderwert im Kaufzeitpunkt. Denn das Wertverhältnis der...