Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Auslegung einer sog. "harten" Bilanzgarantie
Verfahrensgang
LG Limburg a.d. Lahn (Urteil vom 29.06.2012; Aktenzeichen 1 O 28/10) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Limburg a.d. Lahn vom 29.06.2012 (Az.: 1 O 28/10) teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars N1 vom 30.12.2008 (UR-Nr .../2008) wird in Höhe eines Betrages von EUR 777.968,86 für unzulässig erklärt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des gesamten Rechtsstreits haben die Klägerin 43 % und die Beklagten 57 % zu tragen.
Die außergerichtlichen Kosten der Streithilfe werden der Klägerin zu 43 % auferlegt; im Übrigen trägt die Streithelferin ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagten wie auch durch die Streithelferin der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten bzw. die Streithelferin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 110.000,00 sowie in Höhe von 110 % des wegen der Kosten vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Gegenstandswert der Berufung wird auf bis zu EUR 200.000,00 festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung aus einem notariellen Kaufvertrag, mit dem sie die Geschäftsanteile der Beklagten an der A GmbH (nachfolgend auch: Gesellschaft) erworben hat.
Mit notariellem Vertrag des Notars N1 in Stadt1 vom 30.12.2008 (UR-Nr .../2008) erwarb die Klägerin die Geschäftsanteile der Beklagten an der A GmbH zu einem Kaufpreis von EUR 675.000,00. Zugleich verpflichtete sich die Klägerin zur Rückzahlung von Darlehen, die die Beklagten der Gesellschaft gewährt hatten, und zwar bis zu einem Höchstbetrag von EUR 185.000,00.
Der Kaufpreis sollte in Höhe eines Teilbetrages von EUR 650.000,00 zum 31.01.2009 fällig sein; die darüber hinaus geschuldeten Zahlungen (Restkaufpreis und Darlehen) sollten in drei gleichen Jahresraten, beginnend zum 30.12.2009, erbracht werden.
In § 2 Abs. 3 des Vertrages unterwarf sich die Klägerin wegen der Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises und der Rückzahlung der Darlehen der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen.
§ 4 Abs. 1 der notariellen Urkunde enthält verschiedene Garantieerklärungen der Beklagten, mit denen sie unter anderem bestätigten, dass der von der Streithelferin der Beklagten (B GmbH) für die Gesellschaft gefertigte Jahresabschluss 2007 mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes und unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften erstellt worden sei und ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft vermittle. In § 4 Abs. 2 ist die Haftung der Beklagten für den Fall geregelt, dass die Garantieerklärungen bzw. Gewährleistungszusagen unzutreffend sein sollten. Danach ist die Käuferin durch Schadensersatz in Geld so zu stellen, wie sie oder die Gesellschaft stehen würde, wenn die entsprechende Gewährleistung zutreffend wäre. Über die vertraglich vereinbarten Haftungs- und Gewährleistungsansprüche hinausgehende Rechte, wurden - unabhängig vom Anspruchsgrund - ausgeschlossen (§ 4 Abs. 6).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichte Kopie des Vertrages (Bl. 16 ff d.A.) Bezug genommen.
Vereinbarungsgemäß zahlte die Klägerin am 03.02.2009 auf den Kaufpreis einen Betrag von EUR 650.000,00.
Im Laufe des Jahres 2009 betraute die Klägerin das Steuerberatungsbüro X mit der Erstellung des Jahresabschlusses 2008, welches in diesem Zusammenhang auch die Schlussbilanz zum 31.12.2007 überprüfte und dabei zu dem Ergebnis kam, dass die Bilanz unvollständig sei und gegen handelsrechtliche Ansatz- und Bewertungsvorschriften verstoße. Nach Auffassung des Steuerbüros könne daher für das Jahr 2007 nicht von einem bilanzierten Gewinn in Höhe von EUR 178.389,96 ausgegangen werden, vielmehr ergäbe sich bei korrekter Bilanzierung ein Jahresfehlbetrag in Höhe von EUR 29.141,84.
Wegen der Einzelheiten der korrigierten Bilanz wird auf die zur Akte gereichte Kopie verwiesen (Bl. 57- 77 d.A.).
Die Klägerin zahlte zum Jahresende 2009 einen weiteren Betrag in Höhe von EUR 18.984,43 an die Beklagten und vertrat die Ansicht, dass mit dieser Restzahlung sämtliche Forderungen der Beklagten aus dem notariellen Vertrag erfüllt seien; der verbleibende Differenzbetrag sei durch Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen, die ihr aufgrund der Garantieverstöße zustünden, erloschen.
Den ihr aufgrund der vorgeblich fehlerhaften Bilanz 2007 zustehenden Schadensersatzanspruch hat die Klägerin abzüglich einer ermittelten Steuerent...