Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung bei Unternehmensverkauf: Keine verschuldensunabhängige Schadenersatzhaftung des Verkäufers bei einem Unternehmenskaufvertrag, wenn die für den Käufer tätige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft es rechtzeitig versäumt hat, auf die notwendige Bildung von Rückstellungen für Gewerbeertragssteuern hinzuweisen
Leitsatz (amtlich)
1. Verschuldensunabhängige Garantieerklärungen sind grundsätzlich eng auszulegen. Verschuldensunabhängige Schadensersatzansprüche sind - von wenigen Ausnahmen der Gefährdungshaftung abgesehen - dem deutschen Recht wesensfremd.
2. Eine mit der Prüfung des Jahresabschlusses einer KG beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist verpflichtet, nach dem seit dem 1.1.2002 geltenden Unternehmensteuerfortentwicklungsgesetz auf die Bildung notwendiger Rückstellungen für Gewerbeertragssteuern auf Veräußerungsgewinne nach §§ 5, 7 Satz 2 GewStG, 253 Abs. 1 HGB bei der Gesellschaft hinzuweisen. Der Gläubiger muss sich insoweit Fehler seines Wirtschaftsprüfers nach § 278 BGB zurechnen lassen, was im Ergebnis wegen überwiegenden Mitverschuldens (§ 254 Abs. 1 BGB) eine Schadensersatzreduzierung auf Null zur Folge haben könnte (kann hier offen bleiben).
3. Schadensersatzansprüche verjähren gem. §§ 195, 199 BGB in 3 Jahren, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt. Ein Rechtsirrtum hindert grundsätzlich nicht den Verjährungsbeginn. Der Gläubiger muss sich insoweit die Kenntnis seines Erfüllungsgehilfen analog § 166 BGB zurechnen lassen.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 195, § 199 ff.; HGB § 253 Abs. 1; GewStG §§ 5, 7 S. 2
Verfahrensgang
LG Itzehoe (Urteil vom 31.10.2008; Aktenzeichen 8 O 8/08) |
Tenor
Die Berufungen der Klägerin und der Streithelferin gegen das am 31.10.2008 verkündete Urteil des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen II. (8. Zivilkammer) des LG Itzehoe werden zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Streithelferin, die diese selbst trägt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert für den zweiten Rechtszug beträgt 462.377,71 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin beansprucht von der Beklagten Schadensersatz für die Unrichtigkeit des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2003 der Warenhaus X. KG (vormals S.-KG). Die Klägerin hatte mit Kaufvertrag vom 06.11. 2003 den mehrheitlichen Kommanditanteil an dieser Gesellschaft von der Rechtsvorgängerin der Beklagten, einer Lebensmittel-Konzernholding in Form einer GmbH (vormals AG) erworben. Zum wesentlichen Vermögen der S.-KG gehörten ein in ihrem Eigentum stehender Lebensmittel-/Einzelhandelsstandort in F. sowie ein angemieteter Standort in W., in denen jeweils Lebensmittelmärkte betrieben wurden.
Die Parteien schlossen am 6.11.2003 einen Kaufvertrag über die Veräußerung der Kommanditbeteiligung. Dieser Kaufvertrag sollte bewirken, dass die Standorte in F. und W. von dem seinerzeit wirtschaftlich angeschlagenen S.-Konzern an die Klägerin übertragen wurden, um an diesen Standorten jeweils Warenhäuser zu betreiben. Die von dem Vertrag nicht umfassten Standorte des S.-Konzerns wurden mit der Eingliederung des Konzerns in den E-Verbund forthin als E-Märkte weiterbetrieben.
Ausweislich § 5 Abs. 1 lit. f) des Kaufvertrages vom 06.11. 2003 hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten gem. § 311 Abs. 1 BGB in Form eines selbständigen Garantieversprechens der Klägerin zugesichert, dass die nachfolgende Aussage zum 31.12.2003 richtig ist:
"der Jahresabschluss der S.-KG per 31.12. 2003 unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften und den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung sowie unter Wahrung der Bilanzierungs- und Bewertungs-kontinuität erstellt wird und ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt;"
Gemäß § 3 Abs. 3 des Kaufvertrages vom 06.11. 2003 sollte die Verkäuferin (mithin die Rechtsvorgängerin der Beklagten) für die Aufstellung der Bilanz der S.-KG zum 31.12. 2003 nach den geltenden Gesetzen und den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung Sorge tragen. Sie sollte hierzu von der Komplementärin der S.-KG (vormals S.-Verwaltung GmbH) beauftragt werden, die Bilanzerstellung unverzüglich und unentgeltlich vorzunehmen.
Tatsächlich wurde der Jahresabschluss - insoweit abweichend von § 3 Abs. 3 des Kaufvertrages - von der S.-KG (bzw. ihrer Komplementärin) per 31.12. 2003 erstellt und in ihrem Auftrag von der Streithelferin der Klägerin (einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Form einer KG) geprüft (vgl. den berichtigten Jahresabschluss der S.-KG vom 16.7.2004 mit einem ausgewiesenen Jahresfehlbetrag von 1.939.074,04 EUR).
Unstreitig berücksichtigte der von der S.-KG erstellte und von der Streithelferi...