Entscheidungsstichwort (Thema)

Amtspflichtverletzung wegen überhöhter Kosten für Telefonate aus Justizvollzugsanstalt

 

Normenkette

BGB § 839

 

Verfahrensgang

LG Marburg (Urteil vom 11.09.2017; Aktenzeichen 1 O 235/15)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 11.09.2017 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichtes Marburg, Az. 1 O 235/15, abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 312,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.12.2015 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt Schadensersatz vom Beklagten aufgrund einer vermeintlichen Amtspflichtverletzung wegen überhöhter Telefonkosten für Telefonate aus der JVA Stadt1 für die Zeit von Mai 2013 bis einschließlich November 2015.

Der Kläger war in dieser Zeit in Sicherungsverwahrung in der JVA Stadt1 untergebracht, und ist auch derzeit noch. Für das Führen von Telefonaten über das eingerichtete Gefangenen-Telekommunikationssystem mit Sicherheits- und Kontrollfunktion hat der Kläger in dem Zeitraum von Mai 2013 bis einschließlich November 2015 Kosten von insgesamt 880,- EUR zahlen müssen. Grundlage hierfür war ein Vertrag zwischen der JVA Stadt1 und der Firma A GmbH vom 04. Dezember 2017 mit Ergänzungsvereinbarung vom 15. April 2008, mit der ein Vertragszeitraum von 15 Jahre vereinbart wurde. Hierbei bestand bis Ende November 2015 folgende Vertragsstruktur: Der Preis pro Minute betrug für ein Ortsgespräch 0,10 EUR, für ein Ferngespräch 0,20 EUR, für ein Mobilfunkgespräch 0,70 EUR, sowie für Auslandsgespräche je nach Tarifregion 0,60/0,90/1,40 EUR.

Seit dem 01. Dezember gilt eine neue, für den hier maßgeblichen Zeitraum allerdings nicht relevante Preisstruktur wie folgt: Der Preis pro Minute für ein Ortsgespräch beträgt für die erste Minute 0,10 EUR und sodann 0,05 EUR, für ein Ferngespräch für die erste Minute 0,30 EUR und sodann 0,15 EUR, für ein Mobilfunkgespräch für die erste Minute 0,50 EUR und sodann 0,25 EUR, sowie für ein Auslandsgespräch je nach Tarifregion für die erste Minute 0,38/0,58/1,18 EUR und sodann 0,19/0,29/0,59 EUR.

Mit Schreiben vom 01. Dezember 2015 beantragte der Kläger gegenüber der JVA die Rückerstattung von × der bezahlten Telefongebühren in Höhe von 880,- EUR für den betreffenden Zeitraum, mithin 660,- EUR, was von der JVA abgelehnt wurde.

Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet, die berechneten Tarife seien im Zeitraum Mai 2013 bis Februar 2015 um × überhöht gewesen im Vergleich zu den marktüblichen Preisen für Telefonate. Das Land Hessen sei verpflichtet gewesen, dem Kläger Telefonate zu marktüblichen Preisen zur Verfügung zu stellen. Hierzu wurde ein Sachverständigengutachten des Sachverständige B vom 04.04.2014 vorgelegt, welches bei einer identischen Tarifstruktur der Firma A GmbH von dem Landgericht Stendal für die JVA Burg in einem Strafvollstreckungsverfahren eingeholt wurde, und welches als Grundlage für die Höhe der zurückverlangten Forderung herangezogen werden könne.

Der Beklagte hat behauptet, dass der Vertrag zwischen der JVA Stadt1 und der A GmbH im Jahr 2007/2008 ordnungsgemäß entsprechend den damaligen Marktkonditionen abgeschlossen worden sei. Ein Wettbewerb habe sich erst ab 2011 entwickelt und sei nicht absehbar gewesen. Auch die seinerzeitige Vertragslaufzeit und Vertragsbindung sei im Hinblick auf die von der Firma A zu tragenden Kosten für die Bereitstellung der Geräte und die Installation nicht zu beanstanden gewesen. Zudem meint der Beklagte, dass ein Amtshaftungsanspruch bereits deswegen ausscheide, weil der Kläger es unterlassen habe, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels, hier eines Antrags nach § 104 StVollzG abzuwenden.

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen und dem Vorbringen der Parteien in der ersten Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. ZPO).

Das Landgericht hat der Klage vollumfänglich stattgegeben und hierzu ausgeführt, dass bereits aufgrund des Vorbringens der Parteien in Verbindung mit dem von Klägerseite vorgelegten Gutachten des Sachverständigen B vom 04.04.2014 feststehe, dass die Telefonkosten, die der Kläger im betreffenden Zeitraum habe zahlen müssen, deutlich über den marktüblichen Preisen liegen würden. Den Beklagten könne diesbezüglich nicht entlasten, dass er aufgrund einer langen Vertragslaufzeit vertraglich gegenüber dem Telefonunternehmen gebunden sei. Der Amtshaftungsanspruch scheitere auch nicht an § 839 Abs. 3 BGB, weil zum einen nicht feststünde, dass durch die Einlegung eines Rechtsbehelfes, hier eines Antrages nach dem Strafvollzugsgesetz, der Schaden für den betreffenden Zeitraum hätte verhindert werden können. Zum anderen sei ein Verschulden des Klägers nicht gegeben, weil dieser erst Ende 2015 davon Kenntnis erhalten habe, dass die ab...

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