Entscheidungsstichwort (Thema)
Entziehung der Fahrerlaubnis bei Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter
Leitsatz (amtlich)
Eine Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) mit einem E-Scooter begründet die Regelvermutung der Ungeeignetheit des Täters zum Führen eines Kfz. Von der Entziehung der Fahrerlaubnis kann nur in Ausnahmefällen abgesehen werden.
Normenkette
StGB §§ 69, 69a, 316; eKFV § 1
Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 06.10.2022; Aktenzeichen 981 Ds 938 Js 33612/22) |
Tenor
Auf die Revision der Amtsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main - Strafrichterin - vom 6. Oktober 2022 mit den zugehörigen Feststellungen insoweit aufgehoben, als die Entziehung der Fahrerlaubnis sowie die Bestimmung einer Sperrfrist für deren Neuerteilung abgelehnt worden sind.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Frankfurt am Main zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 und Abs. 2 StGB) zu einer Geldstrafe von 30 Tagesätzen zu je 20 € und einem Fahrverbot von sechs Monaten verurteilt.
Dagegen wendet sich die Amtsanwaltschaft mit ihrer Sprungrevision, die der Sache nach nicht nur auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt ist, sondern innerhalb dessen auf die Ablehnung der Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB sowie die damit verbundene Verhängung einer Sperre für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis gemäß § 69a StGB. Die Amtsanwaltschaft rügt in ihrer Revisionsbegründung die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet dabei ausschließlich, dass das Amtsgericht trotz der Erfüllung des Regelbeispiels gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB dem Angeklagten die Fahrerlaubnis nicht entzogen und keine Sperre gemäß § 69a StGB bestimmt hat. Aufgrund der für Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft geltenden besonderen Begründungsanforderungen (Nr. 156 RiStBV) ist damit eine Beschränkung des Rechtsmittels auf den in der Begründung allein angegriffenen Gesichtspunkt verbunden (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2017 - 1 StR 606/16), sofern eine solche Beschränkung wirksam möglich ist. Das ist hier der Fall. Zum einen kann im vorliegenden Fall ausnahmsweise sowohl die Fahrerlaubnis entzogen als auch ein Fahrverbot angeordnet werden, weil Letzteres gerade auch fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge wie den hier verwendeten E-Scooter erfasst (vgl. BGH, Beschluss vom 7. August 2018 - 3 StR 104/18). Und zum anderen besteht vorliegend auch keine untrennbare Wechselwirkung zwischen nicht angeordneter Maßregel und Strafausspruch, die eine getrennte Anfechtung verbieten würde. Weder ergibt sich aus dem tatrichterlichen Urteil, dass der Strafausspruch von der Entscheidung über das Absehen von der Maßregel beeinflusst wäre, noch greift die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revisionsbegründung doppelrelevante Tatsachen an, also solche, die für die Entscheidung nach §§ 69, 69a StGB und die Strafzumessung gleichermaßen von Bedeutung sind. Vielmehr geht es allein um die rechtliche Bewertung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Anordnung der Maßregel auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen (vgl. Saarländisches OLG Saarbrücken, Urteil vom 14. September 2020 - Ss 40/20 (40/20); KG Berlin, Beschluss vom 14. Juli 2015 - (3) 121 Ss 96/15 (75/15); OLG Frankfurt, Beschluss vom 27. Februar 2002 - 2 Ss 21/02; OLG Stuttgart, Urteil vom 7. Januar 1997 - 4 Ss 672/96; vgl. auch zu einer ähnlichen Fragestellung BGH, Beschluss vom 15. Mai 2001 - 4 StR 306/00).
Das so auszulegende Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
Nach den aufgrund der wirksamen Beschränkung der Revision rechtskräftigen Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Angeklagte am XX.XX.2022 gegen 2.39 Uhr in Stadt1 mit einem E-Scooter die Straße1. Seine Blutalkoholkonzentration betrug zu diesem Zeitpunkt mindestens 1,64 Promille. Der Angeklagte war in den vorangegangenen Stunden in einer Bar gewesen und hatte dort Bier und Wodka-Soda getrunken. Nach Verlassen der Bar hatte er sich spontan entschlossen, für die Fahrt zurück zu seiner damaligen Unterkunft im Wohnviertel1 einen E-Scooter zu benutzen. Er fühlte sich zu diesem Zeitpunkt noch fahrtüchtig und machte sich wegen des getrunkenen Alkohols keine Gedanken; er hätte bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt aber erkennen können, dass er fahruntüchtig war.
Die Begründung, mit der das Amtsgericht trotz Vorliegens eines Regelfalls nach § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB von der Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB und Bestimmung einer Sperre gemäß § 69a StGB abgesehen hat, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Schon im Ansatz geht das Amtsgericht abweichend von der gesetzlichen Regelung davon aus, § 69 StGB sehe „für den Regelfall der Verwirklichung einer Trunkenheitsfahrt gemäß § 316 StGB die Entziehung der Fahrerlaubnis vor“, um sodann festzustellen, vorliegend handele es sich nicht um einen solchen Regelfall.
Tatsächlich besti...