Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch auf Krankenvorsorgeunterhalt ist entfallen. Da davon auszugehen ist, dass die Beklagte als Verkäuferin eine Tätigkeit im sozialversicherungspflichtigen Bereich finden könnte, wäre sie in der Lage, auf diese Weise ihren Krankenvorsorgebedarf zu decken; Splitting-Vorteil und Steuerklasse III bei Wiederverheiratung können nicht kumulativ angesetzt werden.
Leitsatz (redaktionell)
1. Wäre der (hier: geschiedene) Ehegatte in der Lage, eine zumutbare versicherungspflichtige Erwerbstätigkeit auszuüben, dann entfällt ein Anspruch auf Krankenvorsorgeunterhalt, da der unterhaltsberechtigte Ehegatte insofern in der Lage wäre, seinen Bedarf selbst zu decken.
2. Hat der Unterhaltsberechtigte den ihm in der Vergangenheit zugeflossenen Altersvorsorgeunterhalt bis auf einen geringen Teil (hier: 70 DM regelmäßige Einzahlungen in eine Lebensversicherung) zweckwidrig verwendet, dann besteht ein weiterer Anspruch auf Altersvorsorgeunterhalt nur mehr in Höhe des tatsächlich für die Alterssicherung verwendeten Betrags, wenn davon auszugehen ist, dass der Berechtigte auch weiterhin so verfahren wird.
3. Für die Beurteilung des Bedarfs des Unterhaltsberechtigten stellen sich die normalen Einkommenssteigerungen auf seiten des Unterhaltspflichtigen als eine Fortentwicklung der maßgebenden ehelichen Lebensverhältnisse dar (hier: Steigerung des Einkommens von brutto 127.740 DM auf 159.110 DM von 1989 bis 1991).
4. Wechselt der Unterhaltspflichtige (hier: rund fünf Jahre nach der Scheidung) den Arbeitgeber und steigt sein Einkommen bis 1997 um 72 Prozent gegenüber dem Jahr 1991 (auf brutto 226.206 DM im Jahr), dann handelt es sich um eine wesentlich über den statistischen Mittelwert hinausgehende Einkommenssteigerung, die auf eine außergewöhnliche, zum Zeitpunkt der Scheidung nicht absehbare Entwicklung zurückzuführen ist und deshalb bei der Bemessung des Bedarfs außer Betracht bleibt (sogenannter Karrieresprung). Das Einkommen des Pflichtigen ist vielmehr lediglich mit den normalen Einkommenssteigerungen (hier um rund 20 Prozent auf 191.000 DM) als eheprägend anzusehen.
5. Wird dem Pflichtigen nach seiner Wiederheirat ein doppelter Steuervorteil gewährt (Steuerklasse drei und begrenztes Realsplitting), so übersteigt dies die ehelichen Lebensverhältnisse der ersten Ehe. Neben dem Splittingvorteil der zweiten Ehe ist daher der Vorteil des Realsplittings nicht beim Bedarf zu berücksichtigen.
6. Da es nur bei kleineren und mittleren Einkommen üblich und angemessen ist, dass das Einkommen zumindest zum ganz wesentlichen Teil für den Lebensunterhalt verbraucht wird, kann auch nur bei diesen Einkommensverhältnissen der Bedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten nach einer Quote vom verfügbaren Familieneinkommen gemessen werden. Insoweit ist die Darlegungslast des Berechtigten für die Ausfüllung des Begriffs der angemessenen Lebensverhältnisse erleichtert, da die Geltendmachung von Unterhalt nach Quoten ohne konkrete Darlegung der ehelichen Lebensverhältnisse zulässig ist.
7. Bei gehobenen Einkommensverhältnissen ist dagegen auf den konkreten Lebensbedarf des Berechtigten abzustellen, da davon auszugehen ist, dass das Einkommen nicht nur dem Lebensunterhalt sondern teilweise auch der Vermögensbildung dient. Die Grenze, ab der der Bedarf konkret nach den ehelichen Lebensverhältnissen darzulegen ist, liegt bei einer Bedarfsdeckung von 3.600 DM im Monat.
8. Auch bei gehobenen Verhältnissen ist der Unterhaltsberechtigten eine Tätigkeit als Verkäuferin jedenfalls in einem Geschäft mit "besserer Atmosphäre" zumutbar, wenn es ihr nach einer Umschulung nicht gelungen ist, eine Arbeitsstelle im angestrebten Bürobereich zu erhalten.
9. Das Gericht ist bei der Verteilung des Unterhalts auf Elementarunterhalt, Altersvorsorgeunterhalt und Krankenvorsorgeunterhalt nicht an die gestellten Anträge gebunden und kann eine anderweitige Verteilung vornehmen, soweit dies nicht zu einer Überschreitung des insgesamt verlangten Unterhalts führt.
Verfahrensgang
AG Seligenstadt (Urteil vom 09.10.1997; Aktenzeichen 1 F 221/97) |
Tatbestand
Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Im Rahmen des Scheidungsverfahrens haben sie vor dem Amtsgericht Seligenstadt am 23. Januar 1989 einen Vergleich geschlossen, in dem sich der Kläger verpflichtete, an die Beklagte 1.810,50 DM Elementarunterhalt, 590,55 DM Vorsorgeunterhalt und 404,23 DM Krankenvorsorgeunterhalt zu zahlen. In einem späteren Rechtsstreit, in dem der Kläger Abänderung dieses Vergleichs begehrt hatte, haben die Parteien im Berufungsverfahren vor dem OLG Frankfurt/M. - 1 UF 91/92 - am 23.4.1993 einen Vergleich geschlossen, in dem sie unter anderem vereinbart haben, dass der Kläger ab Mai 1993 wieder die in dem Vergleich vom 23.1.1989 vereinbarten Unterhaltsbeträge mit der Maßgabe zahlt, dass sich der Krankenversicherungsbedarf nach dem tatsächlichen Bedarf richtet. In diesem Vergleich ist weiter als Grundlage der Vereinbarung festgehalten, dass die Parteien darüber einig sind, dass die Bekl...