Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendung von Vorfahrtsregelungen auf einem Parkplatz
Leitsatz (amtlich)
Die Regeln der StVO sind auf öffentlich zugänglichen Parkplätzen grundsätzlich anwendbar. Inwieweit die Vorfahrtregel des § 8 Abs. 1 StVO Anwendung findet, hängt davon ab, ob die Fahrspuren lediglich dem ruhenden Verkehr bzw. dem Suchverkehr dienen, oder ob sie darüber hinaus Straßencharakter besitzen. Entscheidend für diese Beurteilung sind die sich den Kraftfahrern bietenden baulichen Verhältnisse, insb. die Breite der Fahrspuren sowie ihre Abgrenzung von den Parkboxen.
Normenkette
StVG §§ 7, 17; StVO § 8 Abs. 1-2
Tenor
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 4.178,19 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %Punkten über dem Basissatz seit dem 29.6.2006 sowie weitere 297,25 EUR zu zahlen.
Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Von den Kosten des ersten Rechtszuges haben die Klägerin 31 % und die Beklagten 69 % zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 54 % der Klägerin und zu 46 % den Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Parteien streiten über die Haftung im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall, der sich am ... 3.2006 um 13.12 Uhr auf dem Parkplatz des X-Marktes in O1 ereignete. Wegen des Sachverhalts und der erstinstanzlichen Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Das LG hat der Klage teilweise stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin könne gem. den §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 2 StVG unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile einen hälftigen Ausgleich ihres Schadens verlangen. § 8 Abs. 1 StVO finde zugunsten der Klägerin keine Anwendung, weil der Unfallbereich keine Einmündung darstelle. Diese setzte zwei gleichberechtigte, dem fließenden Verkehr dienende Straßen voraus, was bei Parkplätzen einschließlich ihrer Zu- und Abfahrten nicht der Fall sei.
Der zu berücksichtigende materielle Schaden belaufe sich auf 4.317,74 EUR, wovon die Hälfte 2.158,87 EUR betrage. Als Haushaltsführungsschaden könne die Klägerin lediglich 463,16 EUR (50 % = 231,58 EUR) verlangen, wobei im Wege der Schätzung ausgehend von der Tabelle von Schulz-Brock/Hoffmann eine täglich aufzuwendende Arbeitszeit von 2,67 Stunden anzunehmen sei. Eine Entschädigung für den 15. und 16.3.2006 komme nicht in Betracht, weil nicht ersichtlich sei, dass während des stationären Aufenthalts der Klägerin Hausarbeiten angefallen seien. Zur Höhe sei von der Vergütungsgruppe BAT X (brutto 9,61 EUR) also 7,70 EUR netto pro Stunde auszugehen.
Die erlittenen Verletzungen und hiermit verbundenen Belastungen rechtfertigten ein Schmerzensgeld von insgesamt 900 EUR, wovon die Klägerin angesichts der hälftigen Haftung 450 EUR verlangen könne.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge weiter. Sie rügt die fehlende Anwendung der Vorfahrtsregel des § 8 Abs. 1 StVO. Zur Schadenshöhe weist sie darauf hin, dass das LG die unstreitigen Abschleppkosten i.H.v. 30 EUR vergessen hat. Ferner ist sie der Auffassung, dass auch für den Zeitraum des Klinikaufenthalts eine Entschädigung zu zahlen sei und diese sich zudem an dem höheren Tarif BAT IX a zu bemessen sei. Darüber hinaus komme bei einem Schmerzensgeld eine Quotelung nicht in Betracht. Ferner habe das LG bei der Berechnung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten einen falschen Gegenstandswert zugrunde gelegt. Zudem sei insoweit von der vollen Gebühr auszugehen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 16.3.2009 (Bl. 235 bis 241) und vom 7.7.2009 (Bl. 256 bis 258) verwiesen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Fulda vom 2.2.2009 abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 4.756,57 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %Punkten über dem jeweiligen Basissatz seit dem 29.6.2006, ein angemessenes Schmerzensgeld i.H.v. mindestens 1.300 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %Punkten über dem jeweiligen Basissatz seit dem 29.6.2006 sowie 297,25 EUR vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 7.5.2009 (Bl. 250 bis 255) verwiesen.
Die Berufung der Klägerin ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, mithin zulässig. In der Sache hat sie teilweise Erfolg.
Der Klägerin steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner ein Anspruch auf Zahlung eines Schadensersatzbetrages i.H.v. insgesamt 3.478,19 EUR aus den §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 2 StVG zu, von dem das LG bereits 2.158,87 EUR zuerkannt hat.
Im Rahmen der nach § 17 Abs. 2 und Abs. 1 StVG erforderlichen Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile der am Unfall beteiligten Fahrzeugführer ergibt sich eine Haftungsquote von 80 % zu 20 % zu Lasten de...