Leitsatz (amtlich)

1. Es fehlt am Verfügungsgrund, wenn im Laufe des Verfügungsverfahrens der gegen die konkrete Verletzungsform gerichtete Unterlassungsantrag erstmals auf eine weitere Beanstandung gestützt wird, die bereits in der Antragsschrift hätte geltend gemacht werden können.

2. Der durch eine Blickfangwerbung begründeten Irreführungsgefahr kann durch einen "Sternchenzusatz" entgegengewirkt werden, sofern der Zusatz leicht auffindbar, gut lesbar und inhaltlich klar ist (im Streitfall bejaht).

 

Normenkette

UWG § 5

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 24.04.2018; Aktenzeichen 3-6 O 25/18)

 

Tenor

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 24.4.2018 verkündete Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main abgeändert.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (Antrag zu 2.) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschlussverfahrens erster Instanz hat zu 1/5 die Antragstellerin und zu 4/5 die Antragsgegnerin zu tragen. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens und des Berufungsverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über eine angeblich irreführende Werbeangabe.

Die Parteien betreiben Mobilfunknetze in Deutschland. Die Antragsgegnerin bietet auf ihrer Internetseite Verbrauchern die Möglichkeit, sich über die Verfügbarkeit ihrer Mobilfunkdienstleistungen zu informieren. Unter der Hauptüberschrift "Netzabdeckung: So gut ist unser Mobilfunknetz" fand sich eine Deutschlandkarte, auf der zwischen den Reitern "4G (LTE)", "3G" und "2G" gewählt werden konnte. Bei Aufruf der Seite wies die Deutschlandkarte Färbungen für alle drei Netzalternativen auf (rot-violett-gelb). Wurden alle drei Reiter per Mausklick deaktiviert, erschien eine weiße Karte. Deaktivierte ein Nutzer die voraktivierten Reiter "2G" und "3G", erschien eine rot gefärbte Deutschlandkarte (vgl. erster Screenshot der Anlage K2). Bei Berühren des Reiters "4G (LTE)" erschien im Wege des Mouse-over-effects ein Kasten, der die Angabe "Maximal-Geschwindigkeit: 500 Mbit/s*"" beinhaltete (vgl. zweiter Screenshot der Anlage K2). In der Auflösung des Sternchenhinweises, die sich im gleichen Kasten fand, hieß es wie folgt:

"* Deine Bandbreite hängt z.B. von Deinem Standort und Deinem Gerät ab. Oder ob mehrere Leute gleichzeitig Deine Funkzelle nutzen. Die Maximalwerte erreichst Du nur unter optimalen Bedingungen. Und aktuell nur an einzelnen Standorten in Deutschland."

Wegender weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen.

Das Landgericht Frankfurt hat auf Antrag des Antragstellers der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 28.02.2018 unter anderem untersagt, mit einer Darstellung der Mobilfunknetzabdeckung, wie sie aus Anlage K2 ersichtlich ist, zu werben und/oder werben zu lassen (Verfügungstenor zu 2.). Dagegen hat der Antragsgegnerin Widerspruch erhoben. Ein weiteres Verbot (Verfügungstenor zu 1.) blieb unangefochten. Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hat das Landgericht mit Urteil vom 24.04.2018 die einstweilige Verfügung hinsichtlich des Tenors zu 2. bestätigt.

Gegen diese Beurteilung richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin. Im Berufungsrechtszug wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

das Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt vom 24.04.2018, Az. 3 - 06 O 25/18 abzuändern, den Beschluss vom 01.03.2018 - einstweilige Verfügung - in Ziff. 2. aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweilen Verfügung vom 28.02.2018 insoweit zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

1. Soweit das Unterlassungsbegehren Gegenstand der Antragsschrift vom 28.2.2018 war, besteht ein Verfügungsgrund. Er wird nach § 12 II UWG vermutet.

2. Der Antragstellerin steht gegen die Antragsgegnerin kein Anspruch aus §§ 3, 5 I 8 I, III Nr. 1 UWG auf Unterlassung zu. Die Verbraucher werden mit der angegriffenen Werbung nicht über die flächendeckende Verfügbarkeit einer Datenübertragungsrate von bis zu 500Mbit/s in die Irre geführt.

a) Die Internetseite ist mit der Hauptüberschrift "Netzabdeckung: So gut ist unser Mobilfunknetz" versehen. Darunter ist eine Deutschlandkarte eingeblendet, die je nachdem, welche Häkchen bei den Netzalternativen 4G, 3G oder 2G aktiviert sind, unterschiedliche Einfärbungen aufweist. Eine Angabe zur Übertragungsgeschwindigkeit erfolgt auf dieser Seite nicht stets (vgl. erster Screenshot der Anlage K2). Erst wenn der Nutzer den Cursor auf den Reiter "4G (LTE)" lenkt, erscheint im Wege des Mouse-over-effects ein drop-down-Kasten, der die Angabe "Maximal-Geschwindigkeit: 500 Mbit/s*"" beinhaltet (vgl. zweiter Screenshot der Anlage K2). Bei dieser Sachlage versteht der Verbraucher die rote Färbung nicht ohne weitere...

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