Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Gläubigerbenachteiligungsvorsatz bei der Gewährung von Nachbesicherungen im Stadium drohender Zahlungsunfähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einer Nachbesicherung des Anfechtungsgegners im Stadium drohender Zahlungsunfähigkeit muss der Insolvenzverwalter auch im Falle der Inkongruenz der Nachbesicherung weiter darlegen und beweisen, dass die Insolvenzschuldnerin dabei in der sicheren Erwartung des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit handelte oder dass gleichwertige Indizien für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz sprechen (Anschluss an BGH Urteil vom 6.5.2021, IX ZR 72/20).

2. Einer sicheren Erwartung des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit steht es entgegen, wenn die Nachbesicherungen Bestandteil eines ernsthaften Sanierungsversuchs auf der Grundlage eines schlüssigen Sanierungskonzepts waren. Insbesondere das Vorliegen eines nicht auf einer Täuschung des Gutachters beruhenden und nicht evident falschen Sanierungsgutachtens, nach welchem mittelfristig eine positive Prognose bestand, spricht erheblich gegen eine sichere Erwartung des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit.

3. Alleine die nur sukzessive erst durch mehrere Verlängerungen erfolgende Prolongation auslaufender Kredite durch die Gläubigerbanken ist noch kein hinreichender Beleg für ein bei den Gläubigerbanken bestehendes Misstrauen gegen den (eine Prolongation voraussetzenden) Sanierungsplan und damit für eine Kenntnis von einem etwa bestehenden Gläubigerbenachteiligungsvorsatz. Ein Sanierungsbeitrag muss nicht bereits von Anfang an vollständig erbracht werden, sondern das Sanierungskonzept muss (nur) mindestens in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt worden sein.

 

Normenkette

InsO § 133 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 18.12.2020; Aktenzeichen 2-27 O 516/09)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 18.01.2024; Aktenzeichen IX ZR 6/22)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 27. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18. Dezember 2020 (Az.: 2-27 O 516/09) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

 

Gründe

I. Der Kläger geht gegen die Beklagten im Wege der Insolvenzanfechtung - zweitinstanzlich nur noch durch eine negative Feststellungsklage - vor.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der X OHG (nachfolgend: Insolvenzschuldnerin), über deren Vermögen nach einem Eigenantrag vom 18. September 2006 durch Beschluss vom 1. Dezember 2006 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.

Die Insolvenzschuldnerin produzierte und vertrieb Modelleisenbahnen. Sie hatte bei den Beklagten zu 1.) bis 4.) sowie bei der Bank1, deren Ansprüche die Beklagte zu 5.) erst im Jahr 2007 erwarb, erhebliche Verbindlichkeiten. Die Kreditlinien liefen ab dem 31. März 2005 sukzessive aus. Wenige Tage vor dem Auslaufen der Kreditlinie bei der Beklagten zu 1.) am 31. März 2005 erklärte sich diese zu einer Verlängerung zunächst bis zum 19. April 2005 bereit. Bei einem Treffen am 31. Mai 2005 - dem Tag des Auslaufens der Kreditlinie bei der Beklagten zu 4.) - forderten die Banken eine Nachbesicherung. Es wurde ein Gutachten in Auftrag gegeben, mit welchem die Sanierungsfähigkeit und -würdigkeit der Insolvenzschuldnerin geprüft werden sollte. Im Falle der Sanierungsfähigkeit und -würdigkeit signalisierten die Banken Bereitschaft, die Kredite zunächst bis März 2006 zu prolongieren. Bis zum 15. August 2005 stundeten die Beklagten zu 1.) und 4.) ihre Forderungen. Die Laufzeiten der durch die Beklagten zu 2.) und 3.) gewährten Kredite endeten erst am 30. September 2005, das Darlehen bei der Bank1 war langfristiger Natur.

In den Folgewochen nach dem Treffen vom 31. Mai 2005 übersandte die Beklagte zu 1.) der Insolvenzschuldnerin Verträge über Nachbesicherungen. Diese Verträge - soweit sie zweitinstanzlich noch streitgegenständlich sind - unterzeichnete die Insolvenzschuldnerin am 13. Juli 2005, übersandte sie aber nicht an die Beklagte zu 1.), sondern an ihren eigenen Rechtsanwalt mit der Auflage, sie erst dann weiterzuleiten, wenn dies strafrechtlich unbedenklich sei.

Am 12. August 2005 legte die Nebenintervenientin ihr Sanierungsgutachten vor (Anlage K15 im Leitz-Ordner "Original"), demzufolge die Insolvenzschuldnerin sanierungsfähig war. Es stand insbesondere unter den Prämissen, dass die Umsätze steigen würden, dass die in den USA tätige Tochtergesellschaft der Insolvenzschuldnerin (Y) Verbindlichkeiten begleichen werde und dass die Banken die Kredite bis zum Ende des Jahres 2007 prolongieren würden.

Die Banken sahen zunächst weiterhin davon ab, die Rückzahlung der Kredite einzufordern. Das Gutachten wurde am 24. August 2005 z...

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