Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadenersatz wegen überhöhter Vertriebsprovisionen für Verkauf von Fahrscheinen im Schienenpersonennahverkehr
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 09.10.2019; Aktenzeichen 2-06 O 245/18) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 09.10.2019 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus abgetretenem Recht wegen etwaig überhöhter Vertriebsprovisionen für den Verkauf von Fahrscheinen im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) von 2008 bis zum 23.09.2016 sowie für eine noch andauernde Nachwirkungsperiode.
Die Klägerin ist die Muttergesellschaft der A-Gruppe, einem der führenden privaten Nahverkehrsanbieter in Deutschland. Sieben ihrer Tochterunternehmen, nämlich die:
- B (B)
- C GmbH (C)
- D GmbH (D)
- E GmbH (E)
- A1 GmbH (A1)
- A2 GmbH (A2)
- F GmbH (F)
haben ihre Ansprüche an die Klägerin abgetreten (Anlage K 2, Anlagenband).
Die Zedentinnen sind private Eisenbahnunternehmen und betreiben Regionalbahnen. Sie nehmen an öffentlichen Vergabeverfahren für Verkehrsdienstleistungen in der jeweiligen Region teil und konkurrieren dort mit anderen Nahverkehrsanbietern, so auch mit der Beklagten zu 1). Das jeweilige Bundesland ist als Aufgabenträger für die Organisation des Nahverkehrs verantwortlich und bestellt über landeseigene Bestellorganisationen (z.B. Landesnahverkehrsgesellschaften) Schienenpersonennahverkehrsleistungen.
Die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) sind hundertprozentige Tochtergesellschaften der DB AG, das größte Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) Mitteleuropas. Deren Anteile werden zu 100% von der Bundesrepublik Deutschland gehalten. Die Beklagte zu 1) ist im DB Konzern für alle Regionalverkehrsaktivitäten zuständig. Sie nimmt so auch an Vergabeverfahren im SPNV teil. Sie ist - ebenso wie einige Zedentinnen - Mitglied im Tarifverband der Bundeseigenen und Nichtbundeseigenen Eisenbahnen in Deutschland (TBNE). Dieser Verband bildet die Kooperationsplattform der deutschen Eisenbahnverkehrsunternehmen, die sich im SPNV betätigen.
Die Beklagte zu 2) stellt im DB Konzern die Vertriebssysteme und Vertriebsinfrastruktur bereit und betreibt diese sowohl für die Beklagte zu 1) als auch für andere Anbieter von SPNV wie auch die Zedentinnen. Sie betreibt das bundesweite Netz von Fahrkartenautomaten und Ticketverkaufsstellen mit einer Präsenz in fast allen relevanten deutschen Bahnhöfen. Außerdem betreibt sie neben weiteren Vertriebskanälen auch die Online-Verkaufsstelle www.bahn.de.
Die Zedentinnen schlossen mit der Beklagten zu 1) jeweils einen Vertrag über die Kooperation zum Zweck eines einheitlichen Tarifs (Tarifkooperationsvertrag), den sog. C-Tarif ab. Nach § 12 AEG ist gesetzlich vorgeschrieben, dass die EVU ihr Tarifwerk in sogenannten Tarifkooperationen für einen regionalen Raum festschreiben. Das Tarifwerk gilt innerhalb dieses Raums für alle teilnehmenden Verkehrsunternehmen, um eine Umschreibung von Fahrscheinen beim Umsteigen auf einen anderen Anbieter zu vermeiden und zum Zweck einheitlicher und von allen anerkannter Preise. Der C-Tarif ist Element des "BB DB-Tarifs". Es handelt sich um den einzigen deutschlandweiten verbundübergreifenden Tarif, der sicherstellt, dass der Fahrgast mit seinem Fahrschein zwischen einzelnen regionalen Tarifgebieten und ggf. dazwischen befindlichen DB-Gebieten fahren kann, d.h. dass er eine einheitliche Fahrkarte für seine gewünschte Fahrstrecke unabhängig von Anbieter und Tarifgebiet benutzen kann.
Mit der Beklagten zu 2) schlossen die Zedentinnen außerdem jeweils einen weiteren Vertrag über die Kooperation im Rahmen des Vertriebs (Vertriebskooperationsvertrag) ab (Anlagen K 8 - K 13 und K 14, Anlagenband). In manchen Fällen werden diese beiden Verträge durch einen einheitlichen Letter of Intent hergestellt. In diesen Fällen gibt es nur ein anstatt zwei Vertragsdokumente. Die Verträge hatten unterschiedliche Laufzeiten, welche sich an der jeweiligen Projektdauer orientierten und bezogen sich auf unterschiedliche Strecken. Gegenstand der Vertriebskooperationsverträge waren im Wesentlichen die gegenseitige Erbringung von Vertriebsleistungen, insbesondere der Fahrkartenverkauf.
Die Höhe der von den Zedentinnen an die Beklagte zu 2) gezahlten Provisionssätze für deren Vertriebsleistungen lagen zwischen 10% und ca. 19%, während die Zedentinnen Provisionen von 7,5% von der Beklagten zu 2) erhielten, wenn diese eine Fahrkarte für einen DB-Strec...