Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Gesamtschuldnerausgleich nach Verursachungsanteilen gem. § 17 I StVG
Leitsatz (amtlich)
1. Kommt bei Dunkelheit ein schleuderndes Fahrzeug quer auf der linken Fahrbahn der Autobahn zum Stehen, haftet ein darauf Folgendes Fahrzeug mit einem Anteil von 25 %, wenn der Fahrer nicht die gem. §§ 3, 18 VI StVO erforderliche, dem Abblendlicht angepasste Geschwindigkeit eingehalten hat.
2. Zur Bedeutung des Schutzbereichs der Norm für die Haftungsverteilung nach § 17 StVO.
Normenkette
StVG §§ 7, 17 Abs. 1; StVO §§ 3, 17, 18 Abs. 6
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 11.09.2013; Aktenzeichen 8 O 474/11) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Darmstadt vom 11.9.2013 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.016,80 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.12.2010 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, aus einer Haftungsquote von 25 % der Klägerin sämtliche weiteren Ansprüche der Geschädigten aus dem Verkehrsunfall vom 14.11.2004 auf der Bundesautobahn A3 zu ersetzen.
Die weiter gehende Klage wird abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien jeweils 50 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Gegenstandswert der Berufungsinstanz wird auf 15.072,88 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Von der Wiedergabe des Sachverhalts wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313a ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft unzulässig ist.
II. Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß den §§ 7, 17, 18 StVG, 426 BGB, 115 VVG Anspruch auf Ersatz des Schadens, der ihr dadurch entstanden ist, dass sie Ansprüche Dritter in vollem Umfang befriedigt hat.
Die Klägerin hat gegenüber dem geschädigten Beifahrer Aufwendungen gehabt und außerdem Ansprüche der Stadt1 und der Stadt2 befriedigt. Für diese Ansprüche haften Fahrer und Halter der unfallbeteiligten Fahrzeuge gemäß den §§ 7, 17 StVG, 840 BGB als Gesamtschuldner, da sich der Unfall für keine Seite als unabwendbares Ereignis i.S.d. § 17 Abs. 3 StVG darstellt. Die Haftungsverteilung folgt aus § 17 Abs. 1 StVG, der eine Modifikation der grundsätzlich gem. § 426 BGB bestehenden gesamtschuldnerischen Haftung nach Kopfteilen darstellt und die Haftungsverteilung nach Verursachungsbeiträgen vorsieht. Die Klägerin kann sich insoweit auch auf die Ansprüche der Geschädigten berufen, die gem. § 426 Abs. 2 BGB auf sie übergegangen sind.
Das LG hat die auf 50 % Haftungsanteil gerichtete Klage der Klägerin mit der Begründung abgewiesen, dass die Geschwindigkeit des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs auf der Autobahn zulässig gewesen sei, Eisglätte auf der Fahrbahn nicht geherrscht habe und die Betriebsgefahr dieses Fahrzeugs in der konkreten Situation vollständig hinter dem Verschulden des klägerischen Fahrzeugs zurücktrete.
Die dagegen eingelegte Berufung hat teilweise Erfolg, weil der Senat angesichts der konkreten Unfallumstände von einer Mithaftung des Fahrzeugs der Beklagten i.H.v. 25 % ausgeht.
Vorrangig ist der Unfall sicherlich durch das Fahrverhalten des Rettungsfahrzeugs verursacht worden, dessen Fahrer nicht die situations- und witterungsangepasste Geschwindigkeit eingehalten hat. Das Fahrzeug schleuderte auf eisglatter Fahrbahn und kam quer zur Fahrbahn auf der Überholspur zum Stehen. In solchen Fällen kann sicherlich, wie das LG zutreffend ausgeführt hat, die einfache Betriebsgefahr des anderen Fahrzeugs in vollem Umfang zurücktreten. Dabei kommt es allerdings nicht, wie das LG ausgeführt hat, auf ein erhöhtes Verschulden einer Seite an. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Verursachungsbeitrag einer Seite, der auch durch besonders grobes Verschulden erhöht sein kann, dermaßen überwiegt, dass allein die aus der Nichtbeweisbarkeit eines unabwendbaren Ereignisses folgende Mithaftung des anderen Fahrzeugs in vollem Umfang zurücktreten kann.
Dennoch ergeben sich vorliegend ausreichende Anhaltspunkte, die auch eine erhöhte Verursachungsbeteiligung des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs ergeben.
Dies folgt allerdings nicht bereits aus der Tatsache, dass das Fahrzeug gegen das querstehende Fahrzeug gefahren ist. Die Grundsätze des Anscheinsbeweises, die bei einem Auffahrunfall gelten, sind vorliegend nicht einschlägig, weil es sich gerade nicht um einen Auffahrunfall im gleichgerichteten Verkehr handelt, sondern das Fahrzeug quer zur Fahrbahn stand. Ebenso kann entgegen der Auffassung der Klägerin zu Lasten der Beklagten nicht ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot berücksichtigt werden, da die konkreten Umstände im fließenden Verkehr auf der Autobahn überhaupt nicht feststehen und mithin auch nicht festgestellt werden kann, ob das Fahrzeug unzulässig auf der linken Fahrbahn gefahren ist. Im Rahmen der Haftungsverteilung nach § 17 Abs. 1 kommt es im Übrigen nicht vorrangig auf den Schutzzweck der Norm einer einzelnen Verkehrsvorschrift an, wie die Bekl...