Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorgehen bei widersprüchlichen Positionen zweier gerichtlicher Sachverständiger
Leitsatz (amtlich)
1. Für die nach dem deutschen Facharztstandard u beurteilende Frage, ob der Einsatz einer sog. Schlittenprothese bei einem Patienten indiziert war oder nicht, kommt der englischsprachige Kontraindikationsliste des US-amerikanischen Prothesenherstellers allenfalls indizieller Charakter zu.
2. Im Falle unterschiedlicher Positionen zweier (gerichtlicher) Sachverständiger zu einer entscheidungserheblichen tatsächlichen Frage, die beide von derselben zutreffenden Tatsachengrundlage ausgehen, muss das Gericht diese unterschiedlichen Wertungen kritisch würdigen und prüfen, ob es die eine oder andere Sichtweise überzeugender findet, ob eine weitere Begutachtung bessere Aufschlüsse verspricht oder ob es keiner der vertretenen Positionen den Vorzug geben vermag mit der Folge, dass die entscheidungserhebliche Trage zuungunsten der beweisbelasteten Partei zu entscheiden ist.
Normenkette
ZPO § 411 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 14.11.2014; Aktenzeichen 2-18 O 533/06) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 14. November 2014 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (2-18 O 533/06) wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die im Berufungsrechtszug entstandenen Kosten zu tragen.
Das angefochtene Urteil und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf Grund der beiden Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von dem Beklagten Schmerzensgeld und Schadensersatz in Zusammenhang mit einer durch diesen am XX. April 2005 vorgenommenen Knieoperation.
Der am XX.XX.1942 geborene Kläger litt bereits geraume Zeit vor der Operation unter stärker werdenden Schmerzen im rechten Knie. Er ließ zunächst eine Magnetresonanztomografie-Untersuchung durchführen und sodann im B Hospital in Stadt1 eine Arthroskopie, also eine invasive Untersuchung des Gelenkraums mit einem speziellen Endoskop. Dabei wurde eine hochgradige Arthrose im rechten Knie des Klägers festgestellt. Weiterhin stellte man eine schwere Entzündung im rechten Knie fest. Der Kläger ließ sodann in den C-Kliniken in Stadt2 eine Radiosynoviorthese - ein nuklearmedizinisches Verfahren zur Behandlung von chronisch-entzündlichen Gelenkerkrankungen, z. B. rheumatoider Arthritis oder aktivierter Arthrose) - vornehmen. Diese verlief jedoch erfolglos. Der behandelnde Orthopäde empfahl dem Kläger daraufhin das operative Einsetzen einer medialen Schlittenprothese. Der Kläger begab sich zum Beklagten, um mit ihm am 21. und 23. März 2005 die Einzelheiten dieser Operation zu besprechen. Nach der am XX. April 2005 vorgenommenen Operation begab sich der Kläger in eine Reha-Behandlung, nach der er nahezu schmerzfrei war. Anschließend erhielt der Kläger sechs Physiotherapie-Behandlungen.
Unmittelbar danach setzte sich der Kläger mit dem Beklagten in Verbindung und erklärte, erneut an heftigen Schmerzen zu leiden. Bei dem postoperativen Besuch in der Praxis am 25. Juli 2005 meinte der Beklagte, dass das Knie sich erholen müsse. Mit Schreiben vom 4. August 2005 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass die Schmerzen ein für ihn unerträglicher Zustand seien (BI. 43 d. A.). Der Beklagte antwortete darauf mit Schreiben vom 15. September 2005 (BI. 44 d. A.), in dem er dem Kläger eine Knochenszintigrafie empfahl. Dieser begab sich sodann zu einem Nuklearmediziner, um eine Knochenszintigraphie vornehmen zu lassen. Zudem führte der Beklagte beim Kläger eine Gelenkpunktion zur Abklärung eines bakteriellen Befalls durch, die jedoch einen negativen Befund erbrachte.
Der Kläger behandelte sodann seine Beschwerden mit einer Stützmanschette, mit therapeutischen Übungen zur Kräftigung des Knies, einer Gewichtsreduktion um ca. 10 kg (von 99 Kilo auf 89 Kilo bei einer Körpergröße von 1,87 m) und weiteren Rehabilitationsbehandlungen. Am 20. Dezember 2007 erlitt der Kläger einen Schlaganfall und wollte sich fortan keinen weiteren operativen Eingriffen mehr unterziehen.
Der Kläger initiierte ein Schlichtungsverfahren vor der Gutachter- und Schlichtungsstelle der Landesärztekammer D, weil er der Überzeugung war und ist, der Beklagte habe die Schlittenprothese im rechten Kniegelenk fehlerhaft eingebracht. Im Rahmen dieses Verfahrens wurde ein orthopädisches Fachgutachten von Frau E erstellt (Bl. 49 ff. d. A.), das diesen Vorwurf nicht bestätigt hat. Wegen der Einzelheiten wird aus das als Anlage K 9 in Kopie zu den Akten gereichte Gutachten (Bl. 49 ff. d. A.) Bezug genommen. Eine Kommissionsentscheidung beantragte der Kläger daraufhin nicht.
Der Kläger hat behauptet, er könne das Knie seit Weglassen einer Gehhilfe im August 2005 nicht mehr belasten und habe Schmerzen. D...