Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendige Risikoaufklärung über mögliche Komplikationen einer Knieprothesen-Operation
Leitsatz (amtlich)
Etwaige verbale Risikobeschreibungen (gelegentlich, selten, sehr selten etc.) in ärztlichen Aufklärungsbögen müssen sich nicht an den Häufigkeitsdefinitionen des Medicial Dictionary for Regulatory Activities (MedDRA), die in Medikamentenbeipackzetteln Verwendung finden, orientieren.
Normenkette
BGB § 630e; ZPO § 286 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 24.02.2016; Aktenzeichen 2-04 O 346/14) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 24. Februar 2016 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (2-4 O 346/14) wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die im Berufungsrechtszug entstandenen Kosten zu tragen.
Das angefochtene Urteil und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf Grund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von der Beklagten Schmerzensgeld wegen einer nach seiner Behauptung fehlerhaft und ohne die erforderliche Aufklärung vorgenommenen ärztlichen Behandlung in der Klinik der Beklagten. Darüber hinaus begehrt er die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für sämtliche materiellen Schäden aus dieser Behandlung.
Der Kläger wurde am 24. November 2011 bei medialer Gonarthrose im Krankenhaus der Beklagten am rechten Bein operiert. Er hatte bei der Aufnahme in das Krankenhaus über progrediente Schmerzen des rechten Kniegelenks seit ca. 18 Monaten bei Belastung geklagt. Die schmerzfreie Gehstrecke war deutlich gemindert.
Die für die Beklagte tätigen Ärzte stellten die Indikation zur endoprothetischen Versorgung. Der Kläger wurde mündlich aufgeklärt, und es lag eine schriftliche Einverständniserklärung zur Operation vor. Die Aufklärung erfolgte an Hand eines Aufklärungsbogens (BI. 28 ff. d. A.).
Am 7. November 2013 - also knapp zwei Jahre später - stellte sich der Kläger ambulant in der Sprechstunde der Beklagten vor und berichtete über zunehmende Belastungsschmerzen des rechten Kniegelenks, die seit ca. sechs Monaten mit zunehmender Tendenz bestünden. Szintigraphisch ergab sich der Verdacht auf eine Lockerung des Implantats. Der Kläger wurde in der Klinik der Beklagten zur Revision bzw. einem Wechsel der Prothese aufgenommen. Es wurde im Rahmen einer Operation die Lockerung der Prothese festgestellt, diese ausgebaut und ein temporärer Platzhalter eingebracht. Am 16. Dezember 2013 erfolgte sodann die Implantation einer neuen Schlittenprothese vom Typ "A".
Der Kläger hat behauptet, die Operation im Jahr 2011 sei fehlerhaft vorgenommen und die damalige Schlittenprothese sei fehlerhaft eingesetzt worden. Hierdurch sei es zur Lockerung gekommen. Es sei absolut ungewöhnlich, dass sich eine ordnungsgemäß eingesetzte Schlittenprothese binnen zwei Jahren in dieser Weise lockern könne. Überdies sei die Aufklärung gemäß dem Aufklärungsbogen nicht hinreichend konkret gewesen.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 50.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen, und
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen Schäden aus der fehlerhaften Behandlung im November 2011 zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Kläger sei ordnungsgemäß aufgeklärt worden. In diesem Zusammenhang sei er auch auf das Lockerungsrisiko hingewiesen worden.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird ergänzend Bezug genommen ( § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ).
Nach Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen SV1 (Bl. 49 ff. d. A.) hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
Dem Kläger sei nicht der Nachweis eines Behandlungsfehlers oder einer unzureichenden Aufklärung gelungen.
Der Sachverständige SV1 habe in seinem ausführlichen Gutachten vom 1. September 2015 keinen Behandlungsfehler festgestellt. Nach den klaren Ausführungen des Sachverständigen sei eine Indikation zum Einsatz der Schlittenprothese gegeben gewesen. Ausweislich der eindeutigen Feststellungen des Sachverständigen zeigten die präoperative Röntgenuntersuchung und die postoperative Röntgenuntersuchung des entsprechenden Kniegelenks eine regelrechte Implantation der Schlittenprothese. Einen Behandlungsfehler habe der Sachverständige insoweit nicht erkennen können. Für die eingetretene tibiale und femorale Lockerung gebe es nach den Ausführungen des Sachverständigen verschiedene Ursachen. Solche Lockerungen könnten auch innerhalb kürzester Zeit auftreten. Der Sachverständige h...