Entscheidungsstichwort (Thema)
Irreführung durch bezahlte Kundenrezensionen auf Verkaufsplattform
Leitsatz (amtlich)
Fließen in das Gesamtbewertungsergebnis für Produkte, die auf einer Verkaufsplattform angeboten werden, auch Rezensionen ein, für die an den Rezensenten ein - wenn auch geringes - Entgelt gezahlt wird, und es wird die Berücksichtigung dieser bezahlten Rezensionen nicht kenntlich gemacht, handelt es sich um einen Fall der unlauteren getarnten Werbung.
Normenkette
UWG §§ 3, 5a Abs. 6
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 21.09.2021; Aktenzeichen 3-06 O 26/21) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Auf die Berufung der Antragsgegnerinnen wird das Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21.9.2021 teilweise abgeändert.
Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18.5.2021 (Az. 2/6 O 136/21) in Form des Urteils vom 21.9.2021 (Az. 3/6 O 26/21) wird aufgehoben, soweit sie sich gegen die Antragsgegnerin zu 1) richtet. Insoweit wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten beider Instanzen haben die Antragstellerin und die Antragsgegnerin zu 2) je zur Hälfte zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin zu 2) zur Hälfte zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin zu 1) hat die Antragstellerin zu tragen. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Gründe
I. Die Antragstellerin macht gegen die Antragsgegnerinnen Unterlassungsansprüche wegen der Nutzung des "Early Reviewer Programs" (ERP) geltend.
Die Antragstellerin bietet ihren Kunden gegen Entgelt die Vermittlung von Kundenrezensionen an. Bei diesen Kunden handelt es sich um Händler auf Online-Plattformen. Zudem verkaufte sie Baby- und Kinderartikel über die Webseite der Antragsgegnerin zu 1), von der sie allerdings seit Mai 2019 ausgeschlossen ist.
Die Antragsgegnerin zu 1) ist Verkäuferin der mit "Verkauf und Versand durch Amazon" oder unter dem Handelsnamen "Y" auf amazon.de angebotenen Produkte. Die Antragsgegner zu 2) betreibt die Verkaufsplattform amazon.de.
Die Antragsgegnerin zu 2) vermittelte ihren Verkaufspartnern gegen Entgelt im Rahmen des Early Reviewer Programs Kundenrezensionen. Das Programm sollte dabei helfen, frühzeitig Bewertungen für Produkte mit wenigen oder keinen Bewertungen zu erhalten. In den Erläuterungen auf amazon.com (in deutscher Übersetzung mittels Google-Translator wiedergegeben auf S. 24 f. der Antragsschrift) heißt es:
"Wir wählen zufällig aus allen Kunden aus, die Produkte gekauft haben, die an diesem Programm teilnehmen ... und unsere Zulassungskriterien erfüllen. Wir geben zum Zeitpunkt des Kaufs nicht bekannt, ob ein Produkt am Programm teilnimmt, da wir von Kunden hören möchten, die sich authentisch für den Kauf dieses Produkts entschieden haben, ohne Kenntnis von einer zukünftigen Belohnung. Nicht alle Produkte nehmen an diesem Programm teil und nicht alle Käufer der teilnehmenden Produkte erhalten Prämienangebote, um eine Bewertung zu schreiben. ... Prüfer erhalten eine kleine Belohnung (zum Beispiel einen Amazon-Geschenkkarte im Wert von 1- 3 US-Dollar), nachdem sie innerhalb des Angebotszeitraums eine authentische Bewertung abgegeben haben, die unseren Community-Richtlinien entspricht. Diese kleine Belohnung wird an die Rezensenten vergeben, ... unabhängig davon, ob es sich um eine 1-Stern- oder 5-Sterne-Bewertung handelt. ... Verkäufer können Produkte für die Teilnahme an diesem Programm auswählen, haben jedoch keinen Einfluss darauf, welche Kunden ausgewählt werden, ..."
Rezensionen im Rahmen des ERP werden mit den Hinweisen "Verifizierter Kauf Early Reviewer -Belohnungen" und dem Link "(Was ist das)" versehen. Unter diesem Link wird in englischer Sprache das ERP erläutert.
Das Programm wurde in Großbritannien, den USA und Japan eingesetzt. Produkte, die nur in Deutschland angeboten wurden, konnten nicht im Rahmen des ERP bewertet werden. Die Early Reviewer-Bewertungen hielten aber Einzug in die globalen Bewertungen, die auch dem deutschen Kunden auf amazon.de angezeigt werden. Im Rahmen der Gesamtbewertungsergebnisse heißt es auf der Verkaufsplattform der Antragsgegnerin zu 2):
"Um die Gesamtbewertung der Sterne und die prozentuale Aufschlüsselung nach Sternen zu berechnen, verwenden wir keinen einfachen Durchschnitt. Stattdessen betrachtet unser System Faktoren wie die Aktualität einer Rezension und ob der Rezensent den Artikel bei Amazon gekauft hat. Außerdem analysiert es Rezensionen, um die Vertrauenswürdigkeit zu überprüfen."
Nicht angegeben wird, ob und - wenn ja - wie viele Rezensionen im Rahmen des ERP abgegeben wurden. Hiergegen richtet sich der Angriff der Antragsgegnerin. Sie wendet sich ausweislich ihres Antrags gegen die Veröffentlichung von ERP-Rezensionen, wenn diese Teil des Gesamtbewertungsergebnisses werden, ohne dass darauf hingewiesen wird, dass ...