Leitsatz (amtlich)
1. Ein Hund ist nicht schon dann ein Nutztier i.S.d. § 833 S. 2 BGB, wenn er zu einem allgemeinen, jedermann zukommenden Sicherungsbedürfnis gehalten wird.
2. Anforderungen an den Entlastungsbeweis.
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Urteil vom 10.02.2004; Aktenzeichen 5 O 68/02) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 10.2.2004 verkündete Urteil des LG Wiesbaden (LG Wiesbaden, Urt. v. 10.2.2004 - 5 O 68/02) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Beklagten zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie Feststellung künftiger Ersatzpflicht hinsichtlich aller materiellen und immateriellen Schäden aus Tierhalterhaftung.
Hinsichtlich der in erster Instanz getroffenen Feststellungen wird auf den Tatbestand des am 10.2.2004 verkündeten landgerichtlichen Urteils (Bl. 147 ff. d.A.) Bezug genommen.
Das LG hat der Klägerin ein Schmerzensgeld i.H.v. 3.000 Euro zuerkannt und dem Feststellungsantrag stattgegeben. Es hat einen Anspruch aus §§ 833, 253 BGB bejaht, da sich im vorliegenden Fall eine typische Tiergefahr realisiert habe, ungeachtet der Frage, ob die Klägerin den Hund des Beklagten zuvor am Schwanz gezogen habe oder nicht. Das LG hat es auch dahinstehen lassen, ob es sich bei dem Hund um ein Nutztier i.S.d. § 833 S. 2 BGB handelt, da der Beklagte nicht ausreichend dafür Sorge getragen habe, dass der Hund keine anderen Personen als unbefugt Eindringende verletzen konnte. Er habe das Gelände nicht ausreichend gesichert, obwohl ihm bekannt gewesen sei, dass sein Sohn gelegentlich in Gegenwart des Hundes mit anderen Kindern auf dem Betriebsgelände spielte. Deshalb sei es erforderlich gewesen, entweder eine entsprechende Sicherung des Tores vorzunehmen oder aber dem Hund einen Maulkorb anzulegen. Der Anspruch der Klägerin sei weder durch ein eigenes Mitverschulden noch durch ein solches ihrer Mutter gemindert. Eine mögliche Aufsichtspflichtverletzung der Mutter entlaste den Beklagten als unmittelbaren Schädiger nicht; insb. auch im Hinblick auf § 1664 BGB sei die Lehre von der gestörten Gesamtschuld nicht anwendbar. Da nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. A. mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von der Möglichkeit eines künftigen Schadenseintrittes auszugehen sei, habe dem Feststellungsantrag ebenfalls entsprochen werden müssen.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Er behauptet nach wie vor, dass sein Hund ein Nutztier sei, da er ihn eigens zur Bewachung des Werkgeländes angeschafft habe. Dies hätten die in erster Instanz vernommenen Zeugen auch bestätigt. Der Beklagte habe insoweit auch den Entlastungsbeweis geführt. Der Hund habe niemals zuvor andere Menschen gebissen und sei insb. ggü. Kindern immer lieb gewesen. Der Hund habe sich auch nur in dem abgetrennten Hofteil und auf dem Gartengelände aufgehalten; zu diesem Bereich hätten andere Personen keinen Zutritt. Der Zutritt zu diesem Bereich sei auch ausreichend gesichert, was bei der Ortsbesichtigung festzustellen gewesen sei. Er habe nicht damit rechnen müssen, dass sein sechsjähriger Sohn über ein zwei Meter hohes Tor kletterte, um sich und den anderen Kindern den Zutritt zu dem Hofgelände zu verschaffen, auf dem sich der Hund befunden habe. Dies habe sein Sohn zuvor nie getan. Es komme nicht darauf, dass er schon zuvor mit anderen Kindern mit dem Hund gespielt habe und er hiervon Kenntnis hatte, da dies immer in Gegenwart von Erwachsenen geschehen sei. Allein habe sein Sohn nie im Werkhof spielen dürfen; dieses Verbot habe er immer befolgt, so dass mit Kinderaktivitäten in diesem Bereich nicht zu rechnen gewesen sei. Der Beklagte ist nach wie vor der Auffassung, die Klägerin müsse sich eine erhebliche Aufsichtspflichtverletzung ihrer Mutter schadensmindernd entgegenhalten lassen.
Der Beklagte beantragt, das am 10.2.2004 verkündete Urteil des LG Wiesbaden aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung im Wesentlichen unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Sie bestreitet nach wie vor, dass es sich bei dem Hund des Beklagten um ein Nutztier handele; zumindest sei er tatsächlich nicht als Wachhund für das Betriebsgelände gehalten worden. Der Beklagte habe seinen Sorgfaltspflichten nicht genüge getan, da er seinen Hund weder ordnungsgemäß verwahrt noch beaufsichtigt und kontrolliert habe. Insbesondere könne nicht von einer ausreichenden Absicherung des Hof- und Gartengeländes ausgegangen werden, wenn es einem siebenjährigen ohne weiteres gelänge, sich Zutritt zu verschaffen. Der Beklagte hätte im Übrigen mit der Verhaltensweise seines Sohnes rechnen müssen, da dieser bereits viele Male zuvor sich und anderen Kindern auf die gleiche Art und Weise wie im vorliegenden Fall Zutritt zu dem Innenhof verschafft habe. Darauf komme es aber letztlich auch nicht an, weil ...