Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-34 O 49/20) |
Tenor
Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 2.12.2020 - 2-34 O 49/20 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt gefasst:
Der Beschluss des Landgerichts vom 2.12.2020 - einstweilige Verfügung - wird bestätigt, soweit der Verfügungsbeklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt wurde, sich über die Verfügungsklägerin wie folgt zu äußern:
"Doch nach fast zweieinhalbjähriger Tätigkeit musste sie die FH verlassen."
und dadurch den Eindruck zu erwecken, die Trennung der Verfügungsklägerin von ihrem früheren Arbeitgeber, dem Leibnitz Akademie e.V., sei nicht im gegenseitigen Einvernehmen erfolgt,
wenn dies geschieht, wie in dem frei abrufbaren Teil des Artikels "Vize Präsidentin hat Doktorarbeit abgeschrieben unter der URL https://www.neuepresse.de/Hannover/Meine-Stadt/Vize-Praesidentin-hat-Doktorarbeit-abgeschrieben geschehen und wie in Anlage LHR 1 ersichtlich.
Im Übrigen wird der Beschluss aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits I. Instanz haben die Verfügungsklägerin 2/3 und die Verfügungsbeklagte 1/3 zu tragen; die Kosten des Rechtsstreits II. Instanz hat die Verfügungsklägerin zu tragen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf EUR 10.000,- festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um von der Verfügungsklägerin (nachfolgend Klägerin) geltend gemachte Ansprüche auf Unterlassung in Bezug auf den von der Verfügungsbeklagten (nachfolgend Beklagten) am 22.4.2020 unter der URL https://www.neue-presse.de/Hannover/Meine-Stadt/Vize-Praesidentin-hat-Doktorarbeit-abgeschrieben veröffentlichten frei abrufbaren Teil des Artikels unter der Überschrift "Vize-Präsidentin hat Doktorarbeit abgeschrieben".
Wegen des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Beklagte - soweit für das Berufungsverfahren von Relevanz - per einstweiliger Verfügung vom 28.7.2020 u.a. zur Unterlassung verpflichtet, über einen Plagiatsverdacht bezüglich der Doktorarbeit der Klägerin identifizierend zu berichten durch Nennung des Namens und Verbreitung des Bildnisses der Klägerin, wenn dies geschieht, wie in dem frei abrufbaren Teil des Artikels "Vize-Präsidentin hat Doktorarbeit abgeschrieben" unter der URL https://www.neuepresse.de/Hannover/Meine- Stadt/Vize-Praesidentin-hat-Doktorarbeit-abgeschrieben und wie in Anlage LHR 7 ersichtlich und die Beschlussverfügung insoweit auf den Widerspruch der Beklagten hin bestätigt.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt, mit welcher sie die Zurückweisung des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung weiterverfolgt, soweit er das Unterlassungsbegehren der Klägerin bezüglich der identifizierenden Berichterstattung enthält. Sie rügt, dass das Landgericht die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur namentlichen Nennung verkenne. Über die Klägerin dürfe aus ihrer Sozialsphäre als Vizepräsidentin identifizierend berichtet werden, solange es wahr und nicht stigmatisierend sei. Die Arbeit der Klägerin als Vizepräsidentin betreffe allein ihre "echte" Sozialsphäre. Die Aussage, dass die Doktorarbeit der Klägerin ein Plagiat sei, betreffe gerade ihre berufliche Tätigkeit im Wirtschaftsleben, denn als Vizepräsidentin einer Hochschule stehe und falle diese Position und ihr Ansehen bei Lehrenden und Studierenden mit ihrem akademischen Titel. Das Landgericht wähle hier somit einen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichenden Abwägungsgrundsatz, wenn es nach einem berechtigten Interesse frage oder die Klägerin einer "selbstgewählten Anonymität" verlustig gehen sehe.
Zu Unrecht prüfe das Landgericht die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung. Zunächst beziehe sich der beantragte Unterlassungstenor allein auf die identifizierende Berichterstattung und nicht etwa auf die Verbreitung eines Verdachts. Zudem verkenne das Landgericht, dass es sich keineswegs um eine Verdachtsberichterstattung im klassischen Sinne handele. Denn vorliegend sei, worauf das Landgericht mit keinem Wort eingehe, prozessual unstreitig, dass es sich bei der Doktorarbeit der Klägerin in großen Teilen um ein Plagiat handele. Es gehe auch nicht darum, dass der Doktortitel letztendlich von der erteilenden Universität entzogen werde, sondern allein um die Frage, ob wissenschaftlich einwandfrei geprüft worden sei, ob ein Plagiat vorliege oder nicht. An der wissenschaftlichen Qualität der Untersuchung durch "VroniPlag" könne es vorliegend keinen Zweifel geben, zumal die Klägerin sich hierzu nicht geäußert habe. Eine Vorverurteilung sei dem Artikel nicht zu entnehmen. Wie das Landgericht selbst in den Entscheidungsgründen ausführe, entstehe durch die Berichterstattung nicht der Eindruck, dass der Doktortitel bereits aberkannt worde...