Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält an seiner früher geäußerten Auffassung nicht mehr fest, dass Zusatzleistungen des Herstellers an den Vertragshändler (Großabnehmerzuschüsse, Zulassungsboni, Boni, Rabatte, etc.) einem berücksichtigungsfähigen Provisionsverlust des Handelsvertreters nur gleichstehen, wenn bei Vertragsbeendigung bereits ein Anspruch dem Grunde nach entstanden war. Der Wortlaut des § 89b Abs. 1 Ziff. 2 HGB ("Ansprüche auf Provisionen verliert") trägt eine solche Beschränkung nicht. Er lässt nämlich offen, ob der Verlust auch künftige entstehende Ansprüche erfassen kann, also solche aus künftigen Zahlungsversprechen der Beklagten zur jeweils marktangepassten Verkaufsförderung.
Normenkette
HGB § 89b
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 3-9 O 44/02) |
Nachgehend
Gründe
I. Die Klägerin, die seit mehr als 20 Jahren für die Beklagte tätig war, verlangt aus einem zum 28.2.1997 ordentlich gekündigten Vertragshändlervertrag für A-Personenwagen Ausgleichszahlung für den Kundenstamm. Nach ca. zwei Jahren und sechs Monaten übernahm sie eine B-Vertretung. Die Mehrfachkundenumsätze des letzten Vertragsjahr waren untypisch.
Die Klägerin hat behauptet, Mehrfachkundenumsätze gemäß ihren Aufstellungen in der Klageschrift (S. 38-39, Bl. 38-39 d.A.) getätigt zu haben. Der Verwaltungskostenabschlag zu den Mehrfachkundenumsätze belaufe sich nur auf 2,5 % der unverbindlichen Preisempfehlung der Beklagten (im Folgenden nur: UPE). Die Sogwirkung der Marke rechtfertige allenfalls einen Abschlag um 10 %.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 136.037,77 EUR nebst 5 % Zinsen seit dem 1.3.1997 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat einzelne Mehrfachkundengeschäfte bestritten und einen Verwaltungskostenabschlag von 3,16 % der UPE eingewandt.
Die Beklagte hat behauptet, die Sogwirkung der Marke A sei im Hinblick auf deren besonderen Prestigewert so hoch, dass der Handelsvertreterausgleichsanspruch der Klägerin um mindestens 60 % zu reduzieren sei.
Das LG hat Beweis erhoben über die Frage der gebotenen Reduzierung des Anspruchs infolge eines Markensogs durch Sachverständigengutachten. Auf das Gutachten wird verwiesen.
Das LG hat in der angefochtenen Entscheidung die Stammkundenmargen der letzten fünf Vertragsjahre um die für die Stammkunden gezahlten Zuschüsse erhöht und den verbleibenden Betrag an Zuschüssen im Verhältnis der Stammkunden zur Gesamtkundenzahl ebenfalls der Klägerin zugerechnet. Es hat dann zu diesen Umsätzen 5 % der UPE als Abzugsposten für handelsvertreteruntypische Vergütungsanteile herausgerechnet und den Restbetrag einer Billigkeitskorrektur um 10 % unterzogen. Eine höhere Sogwirkung ergäbe sich aus dem Gutachten des bestellten Sachverständigen nicht. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivortrags und der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil Bezug genommen (Bl. 691-713 d.A.).
Die Berufung der Beklagten greift den Ausgleichsanspruch dem Grunde nach an, weil die Beklagte keine Vorteile erlangt habe. Einzelne Stammkunden seien nicht zu berücksichtigen, wie auch der Ansatz jeglicher Zuschüsse unberechtigt sei, weil für den Prognosezeitraum insoweit kein Anspruch begründet gewesen sei. Ein Abzug für verwaltende Tätigkeit sei vergessen worden, der sich auf 3,16 % der UPE belaufen müsse. Auch sei der vereinbarte Werbeaufwand von 1 % der UPE abzuziehen. Der Billigkeitsabschlag müsse wegen des Markensogs 60 % betragen. Verfahrensfehlerhaft habe das LG ein Marktforschungsgutachten nicht eingeholt.
Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das Urteil jedenfalls im Ergebnis.
II. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und gerechtfertigt worden.
Der Klägerin steht analog § 89b Abs. 1 HGB ein Ausgleichsanspruch gegen die Beklagte in der zuerkannten Höhe zu. Die Voraussetzungen der entsprechenden Anwendung dieser Bestimmung auf die Klägerin als Vertragshändlerin sind im Berufungsverfahren nicht in Frage gestellt worden, wie auch die ordentliche Beendigung des Händlervertrags zum 28.2.1997 und die rechtzeitige Anmeldung des Anspruchs außer Frage stehen. Soweit mit der Berufungsreplik eingewandt wird, den Provisionsverlusten der Klägerin entsprächen keine Vorteile für die Beklagte, ist die dahingehende, in der BGH-Rechtsprechung anerkannte Vermutung (vgl. BGH NJW 1990, 2889, 2890; Baumbach/Hopt, 32. Aufl., § 89b Rz. 47; Küstner Rz. 1755 m.w.N. in Fn. 23; Senat 5 U 173/99 S. 24) nicht entkräftet. Die eingewandte Tatsache, dass die Beklagte sich ggü. den anderen Vertragshändlern zur Weitergabe der Vorteile an einen neuen Vertraghändler verpflichtet habe, führt nicht dazu, dass der Beklagten solche Vorteile nicht dem Grunde nach zufallen würden.
1. Mehrfachkunden
Nachdem zwischen den Parteien unstreitig geblieben ist, da...