Verfahrensgang

LG Wiesbaden (Urteil vom 12.02.2003; Aktenzeichen 10 O 207/32)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Auf die Widerklage der Beklagten wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte 7.214,16 EUR nebst 5 % Zinsen seit dem 23. Mai 2003 zu zahlen.

Die Kosten des zweiten Rechtszuges werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Der Kläger beansprucht von der Beklagten die erneute Auszahlung der nach Kündigung zweier Lebensversicherungen fällig gewordenen Rückkaufwerte, die die Beklagte entgegen der mit Schreiben vom 8. Mai 2002 erteilten Weisung des Klägers nicht per Scheck, sondern durch Überweisung auf ein im Debet geführtes Konto des Klägers ausgezahlt hat.

Das Landgericht gab der Klage mit der Begründung statt, durch die gegen die ausdrückliche Weisung des Klägers erfolgte Überweisung sei die Beklagte von ihrer Leistungspflicht nicht befreit worden, eine Aufrechung mit einem etwaigen Bereicherungsanspruch sei ausgeschlossen und zudem auch nicht erklärt worden.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung hält die Beklagte daran fest, dass durch die versehentlich veranlasste Überweisung der Kläger in Form der Befreiung von einer gleich hohen Bankverbindlichkeit ungerechtfertigt bereichert sei. Diesen Bereicherungsanspruch habe sie erstinstanzlich geltend gemacht und Abweisung der Klage beantragt, was der Sache nach Aufrechnung bedeute, die sie vorsorglich noch einmal ausdrücklich erklärt, hilfsweise erhebt sie Widerklage mit dem Antrag auf Zahlung in Höhe der Klagesumme.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung, tritt einem Bereicherungsanspruch der Beklagten mit der Begründung entgegen, dieser könne sich allenfalls gegen die streitverkündete Bank richten. Vorsorglich weist der Kläger auf das Bestehen eines Aufrechnungsverbotes hin, das die Beklagte daran hindere, ihre Vertragsverletzung ohne jeglichen Rechtsnachteil durch Aufrechnung bzw. durch widerklagende Geltendmachung im gleichen Verfahren „heilen” zu können.

Die form- und fristgerecht eingelegte und rechtzeitig begründete Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg, denn das Landgericht hat der Klage aus zutreffenden Gründen stattgegeben. Die Beklagte hat die unstreitig bestehende Verpflichtung zur Auszahlung des Rückkaufwertes aus dem Lebensversicherungsvertrag nicht durch Überweisung auf das Konto des Klägers bei der streitverkündeten Bank erfüllt, denn hierbei handelt es sich nicht um die geschuldete Leistung im Sinne des § 362 BGB. Die Beklagte bestreitet nicht, dass der Kläger ausdrücklich Zahlung des Rückkaufwertes per Scheck wünschte, so dass die auf das Konto des Klägers vorgenommene Überweisung keine Erfüllungswirkung entfaltete (vgl. BGH in ZIP 1995, 109; Canaris, Bankvertragsrecht Rn. 470). Hierauf kann sich der Kläger auch ohne Treuwidrigkeit berufen, denn unstreitig hat die streitverkündete Bank den Überweisungsbetrag mit dem übersteigenden Debetsaldo verrechnet, so dass der Kläger keine freie Verfügungsmacht über den Geldbetrag erlangt hat (vgl. Canaris, a.a.O.).

Der Anspruch des Klägers ist auch nicht durch Aufrechnung erloschen, die in der Sache bereits im ersten Rechtszuge durch Geltendmachung des Bereicherungsanspruchs und Stellen des Abweisungsantrages geltend gemacht worden war. Zwar steht der Beklagten wegen Nichterreichung des mit der Zahlung bezweckten Erfolges, nämlich Erfüllung des aus dem Lebensversicherungsvertrag bestehenden Anspruchs des Klägers auf Auszahlung des Rückkaufwertes, ein Bereicherungsanspnuch aus § 812 BGB zu (vgl. Schimansky/Bunte/Lwaski, Bankrechts-Handbuch L 2. Aufl., § 50 Rn. 10; Canaris, a.a.O., Rn. 473). Dieser Anspruch richtet sich auch gegen den Kläger insofern, als dieser durch die Gutschrift auf dem Debetkonto in entsprechender Höhe von unbestritten bestehenden Verbindlichkeiten befreit wurde und nicht etwa gegen die streitverkündete Bank, die entgegen der Auffassung des Klägers nicht Leistungsempfängerin, sondern ausschließlich Zahlstelle des Überweisungsempfängers ist (vgl. BGH in NJW 1985, 2700; BGH in ZIP 1995, 109; Schimansky, a.a.O., Rn. 1).

Jedoch ist es der Beklagten verwehrt, mit diesem Anspruch die Aufrechnung zu erklären, da sie andernfalls als Schuldnerin auf diesem Wege trotz Missachtung der Gläubigerweisung die Erfüllungswirkung herbeiführen könnte, die in diesem Fall gerade nicht eintreten sollte (vgl. Schimansky, a.a.O., § 50 Rn. 9; Canaris, a.a.O., Rn. 473). Zwar verkennt der Senat nicht, dass grundsätzlich auch ein gegen die erteilte Gutschrift gerichtetes generelles Zurückweisungsrecht des Kontoinhabers einen ausreichenden Schutz vor aufgedrängten Überweisungen gewähren würde (vgl. hierzu Canaris, a.a.O.; Häuser in ZIP 1995, 89 ff. u. OLG Köln in ZIP 1994, 1267), doch kann zumindest in Fällen, in denen wie vorliegend aufgrund wirksamen Valutaverhältnisses ein materiell-rechtlicher Anspruch auf die Leistung besteht, ein solches Zurückweisungsrecht nicht zugebilligt werden (vgl. BGH in ZIP 1995, 109; Schimansky, a.a...

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