Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerspruch gegen die Scheidung nach türkischem Recht. Anhörung der Eheleute
Leitsatz (amtlich)
Die dem Familiengericht obliegende Verpflichtung zur Ermittlung des Sachverhalts (§ 616 ZPO) rechtfertigt es nicht, von einer Anhörung nach § 613 ZPO alleine deswegen abzusehen, weil eine Partei sich zum Zeitpunkt des Termins im Aus-land aufhält und die andere Partei krankheitsbedingt am Erscheinen gehindert ist. Ein beachtliches Widerspruchsrecht gegen die Scheidung nach türkischem Recht besteht gem. § 166 Abs. 2 Türk ZGB nur, wenn den Antragsteller ein überwiegendes Verschulden an der Zerrüttung trifft.
Normenkette
ZPO § 613; Türk-ZGB § 166 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Offenbach (Urteil vom 12.09.2008; Aktenzeichen 314 F 1990/07) |
Tenor
Auf die Berufung des Antragstellers wird das Urteil des AG - Familiengericht - Offenbach am Main vom 12.9.2008 - 314 F 1990/07 S, aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das AG - Fa-miliengericht - Offenbach am Main zurückverwiesen.
Berufungswert: 4.476 EUR (§ 48 Abs. 3 GKG).
Die Prozesskostenhilfeanträge beider Parteien werden zurückgewiesen.
Gründe
Der am 15.2.1938 geborene Antragsteller und die am 5.3.1947 geborene Antragsgegnerin, beide türkische Staatsangehörige, haben am 30.9.1985 die Ehe geschlossen, aus der die am xxxx. 1983 geborene Tochter X. hervorging. Mit Schriftsatz vom 27.11.2007 begehrte der Antragsteller die Scheidung der Ehe.
Er hat vorgetragen, die Parteien würden bereits seit dem Beginn des Rentenbezugs des Antragstellers, d.h. seit mehr als 5 Jahren, getrennt leben. Die Antragsgegnerin verweigere jede Kommunikation mit ihm, beide würden getrennt ihre Mahlzeiten einnehmen und in getrennten Zimmern leben und schlafen. Ein im April 2008 durchgeführter Versöhnungsversuch sei im Mai 2008 gescheitert.
Die Antragstellerin verweigere ihm jede Unterstützung. Im Mai 2007 habe sie ihn, als er eine Herzkathederoperation stationär habe durchführen lassen müssen, nicht besucht und nach seiner Heimkehr ignoriert (Beweis: Zeugnis der Tochter der Parteien). Auch bei einem sechs Monate später erfolgten Krankenhausaufenthalt habe sie ihn nicht besucht. Nach Rückkehr aus einem weiteren Krankenhausaufenthalt habe sie ihm weiterhin jede Hilfe verweigert. Er sei nach der Rückkehr aus dem Krankenhaus vor der Küchentür gestürzt und habe nicht alleine aufstehen können. Seine Hilferufe habe die Antragsgegnerin ignoriert, sei in der Küche sitzengeblieben und habe weiter geraucht, bis die Tochter ihm zur Hilfe gekommen sei (Beweis: Parteivernehmung). Vermittlungsversuche durch die Tochter seien gescheitert.
Der Antragsteller hat beantragt, die am 0.00.1985 vor dem Standesbeamten in Halidere/Türkei geschlossene Ehe der Parteien zu scheiden.
Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Scheidungsantrag abzuweisen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 12.9.2008 sind beide Parteien nicht erschienen. Die Bevollmächtigte der Antragsgegnerin teilte dem AG mit Schriftsatz vom 9.9.2008 mit, dass sich die Antragsgegnerin derzeit in stationärer Heilbehandlung befinde und sich der Antragsteller noch in der Türkei aufhalte, weshalb er ebenfalls nicht zum Termin erscheinen könne.
Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12.9.2008 wies das AG - Familiengericht- Offenbach am Main den Scheidungsantrag ab. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des Urteils vom 12.9.2008 Bezug genommen (Bl. 39 ff. d.A.).
Der Antragsteller wendet sich gegen diese Entscheidung. Er verfolgt mit der Berufung, mit der er die Aufhebung des angefochtenen Urteils anstrebt, seinen Scheidungsantrag weiter und beantragt, wegen Verfahrensfehler das Urteil aufzuheben und die Sache an das Familiengericht zurückzuverweisen (§ 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO).
Die Antragsgegnerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin behauptet, ein Getrenntleben habe in den Jahren 2006, 2007 und bis März 2008 vorgelegen. Seit April 2008 habe eine völlige Versöhnung zwischen den Parteien stattgefunden, inzwischen werde wieder gemeinsam eingekauft, gelebt, gekocht und gegessen, es würden gemeinsame Verwandtenbesuche und sonstige Unternehmungen durchgeführt (Beweis: Zeugnis der Frau Y.).
Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, alle früheren Vorkommnisse seien verziehen, im Übrigen seien diese Vorwürfe von ihr nicht zuzugestehen, sie habe sich keine Vorwürfe zu machen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der vorgetragenen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen und von der weiteren Sachdarstellung unter Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteil abgesehen (§ 540 ZPO).
Die Berufung ist zulässig. Sie wurde gem. §§ 517, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet.
Auf den nach § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO gestellten Zurückverweisungsantrag war das Urteil wegen eines Verfahrensfehlers aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Das AG - Familiengeri...