Entscheidungsstichwort (Thema)
Wettbewerbsrecht: Geschäftliche Handlung im Rahmen eines wissenschaftlichen Fachbeitrags
Leitsatz (amtlich)
Nimmt ein Wissenschaftler im Rahmen eines Aufsatzes in einer Fachzeitschrift einen Vergleich zwischen zwei Erzeugnissen vor, der zu Lasten eines dieser Erzeugnisse geht, liegt darin grundsätzlich keine die Anwendbarkeit der Vorschriften des UWG eröffnende geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Nr. 1 UWG, da es in der Regel an dem erforderlichen Absatzförderungszusammenhang zu Gunsten eines Dritten fehlt. Etwas anderes kann allerdings dann gelten, wenn die Darstellung in dem Fachaufsatz objektiv derart falsch oder schlechterdings unvertretbar ist, dass dem Wissenschaftler das Anliegen, seine wissenschaftliche Meinung mitzuteilen, nicht mehr abgenommen werden kann (im Streitfall verneint).
Normenkette
UWG § 2 Nr. 1, § 5
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 15.03.2016; Aktenzeichen 3-6 O 81/14) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 15.03.2016 verkündete Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt am Main abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen mit Ausnahme der durch das Versäumnisurteil vom 19.06.2015 verursachten Mehrkosten; diese werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann der Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten über angeblich unwahre Aussagen in einem wissenschaftlichen Fachaufsatz.
Die Klägerin stellt thermoplastische Unterkieferprotrusionsschienen (sog. "Boil-and-bite-Schienen") her, die bei obstruktiver Schlafapnoe helfen sollen und vom Patienten selbst angepasst werden können. Die Produkte stehen im Wettbewerb mit individuellen Unterkieferprotrusionsschienen (UKPS), die vom Zahnarzt individuell angepasst werden. Derartige Schienen werden von der A-Gruppe angeboten.
Der Beklagte ist ein auf Schlafmedizin spezialisierte Arzt, Assistenzprofessor und Lehrbeauftragter an der medizinischen Fakultät der B. Der Schwerpunkt seiner Forschung und Behandlungstätigkeit liegt im Bereich der atmungsbedingten Schlafstörungen. Er veröffentlichte in der weltweit führenden Fachzeitschrift für Schlafmedizin ("Magazin1") im Jahr 2014 als Co-Autor einen Aufsatz unter dem Titel "Titel1". In dem Aufsatz heißt es (übersetzt):
"Beim direkten Vergleich der Wirksamkeit von thermoplastischen und individuellen UKPS wurden in einer Studie mit einem "cross-over-design" über 4 Monate, an der 35 Patienten teilnahem, herausgefunden, dass nach der Behandlung der AHI-Index nur unter Therapie mit der individuellen UKPS reduziert wurde. Das thermoplastische Gerät zeigte eine viel geringere Wirksamkeit ..."
In einer zu diesem Text gehörigen Fußnote wurde auf eine im Jahr 2008 unter anderem vom Beklagten veröffentlichte Studie verwiesen, bei der ein Entwicklungsprodukt der Klägerin Verwendung fand, das letztlich nicht in den Handel gelangte. Hinsichtlich der Einzelheiten des Artikels wird auf die Anlage K5 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 I 1 ZPO).
Das LG hat den Beklagten mit Versäumnisurteil vom 19.06.2015 verurteilt, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, unter Berufung auf die X-Studie "Name1" in Bezug auf intraorale Schienen zu behaupten, dass beim direkten Vergleich von thermoplastischen und individuellen Unterkieferprotrusionsschienen das thermoplastische Gerät eine viel geringere Wirksamkeit zeigte, so wie bei dem in "Magazin1" in 2014 auf den Seiten... veröffentlichten Artikel geschehen. Auf den Einspruch des Beklagten hat das LG das Versäumnisurteil mit Urteil vom 15.03.2016 aufrechterhalten.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten. Im Berufungsrechtszug wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen.
Der Beklagte beantragt, unter Abänderung des am 15.02.2016 verkündeten Urteils des LG Frankfurt (3-06 O 81/14) die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Unterlassung der beanstandeten Aussage aus §§ 8 I, 3, 5 UWG.
a) Es fehlt nicht an der Mitbewerbereigenschaft nach §§ 8 IIII Nr. 1, 2 I Nr. 3 UWG. Die Klägerin beruft sich darauf, der beanstandete Artikel würde "fremden" Wettbewerb fördern, namentlich den Absatz der Produkte der A-Gruppe, die individuell angepasste Schienen vertreibt. Bei der Förderung fremden Absatzes kommt es auf ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Anspruchssteller und dem geförderten Unternehmen an. Die ...