Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässige Bezeichnung einer Arztpraxis mit zwei Ärzten als "Zentrum"
Leitsatz (amtlich)
Im medizinischen Bereich erwartet der Verkehr jedenfalls bei einer sich als "Zentrum" bezeichnenden Arztpraxis keine Mindestanzahl an Ärzten mehr, da auch ein medizinisches Versorgungszentrum nach § 95 Abs. 1 S. 1 SGB V keine Mindestanzahl mehr verlangt und dies das Verkehrsverständnis beeinflusst.
Normenkette
SGB V § 95 Abs. 1 Nr. 1; UWG § 5
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 30.11.2022; Aktenzeichen 2-06 O 209/22) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
1.) Auf die Berufung der Antragsgegner wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 30.11.22 abgeändert.
Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Frankfurt vom 30.06.22 wird hinsichtlich a) des Tenors aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag insoweit zurückgewiesen.
2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Antragsteller. Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Antragsteller 4/5 und die Antragsgegner 1/5.
3.) Das Urteil ist rechtskräftig.
Gründe
I. Der Antragsteller ist in eigener Praxis für plastische Chirurgie in Stadt1 niedergelassen. Die Antragsgegnerin zu 2) und der Antragsgegner zu 3) sind Gesellschafter der Antragsgegnerin zu 1), die unter dem Namen "X" eine Praxis für plastische Chirurgie in Stadt2 betreibt. Die Antragsgegner zu 2 und 3 sind Fachärzte für plastische und ästhetische Chirurgie, der Antragsgegner zu 3 zusätzlich Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie.
Auf der Webseite wird die Gemeinschaftspraxis als "Zentrum für plastische und ästhetische Chirurgie" bezeichnet. Diese Bezeichnung nimmt der Antragsteller als unlauter in Anspruch.
Das Landgericht hat den Antragsgegnern im Wege der einstweiligen Verfügung durch Beschluss vom 30.6.2022 unter anderem untersagt, in der Bundesrepublik Deutschland im geschäftlichen Verkehr Dienstleistungen eines plastischen Chirurgen, insbesondere Penisoperationen, unter dem Namen "Zentrum für plastische und ästhetische Chirurgie" zu bewerben und/oder anzubieten, wenn in der Praxis insgesamt lediglich zwei Ärzte beschäftigt sind. Auf den Widerspruch der Antragsgegner hat das Landgericht durch Urteil vom 30.11.2022, auf das im Hinblick auf die tatsächlichen Feststellungen gemäß § 540 I ZPO Bezug genommen wird, die einstweiligen Verfügung bestätigt. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Antragsgegner handelten unlauter, da der Verkehr mit dem Begriff "Zentrum" eine gewisse Größe und Marktbedeutung des so bezeichneten Unternehmens verbinde, an der es hier fehle. Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragsgegner.
Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II i.V.m. 313a I, 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung der Antragsgegner hat in der Sache Erfolg. Die Bezeichnung der von den Antragsgegnern betriebenen Arztpraxis als "Zentrum" für ästhetische und plastische Chirurgie führt den Verkehr nicht nach § 5 I UWG in die Irre.
1. Eine Werbung ist nach § 5 I UWG irreführend, wenn sie geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen über das Angebot hervorzurufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen.
a) Für die Beurteilung der Frage, ob eine Werbeaussage irreführend ist, kommt es maßgeblich darauf an, wie der angesprochene Verkehr die beanstandete Werbung versteht.
Die beanstandete Werbung der Antragsgegner richtet sich sowohl an Ärzte als auch an potenzielle Patienten. Ein unterschiedliches Verkehrsverständnis ist damit nicht verbunden, weil nicht ersichtlich ist, dass diese Kreise der Werbeaussage voneinander abweichende Sinngehalte beimessen. Es ist auch davon auszugehen, dass die fachliche Ausrichtung oder Spezialisierung zu den wesentlichen Entscheidungsgesichtspunkten bei der Wahl eines Arztes gehören.
Bei der Feststellung, wie der angesprochene Verkehr die Werbung mit der Bezeichnung "Zentrum für Plastische und Ästhetische Chirurgie" versteht, ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den die werbliche Darstellung vermittelt (BGH GRUR 2012, 942 Rnr.12 ff.; BGH, GRUR 2010, 352 Rdnr. 11 - Hier spiegelt sich Erfahrung).
b) Grundsätzlich erwartet der Verkehr bei dem Begriff "Zentrum" eine personelle und sachliche Struktur eines Unternehmens, die über vergleichbare Durchschnittunternehmen hinausgeht.
(1) Die Begriffe "Zentrale", "Zentrum" und "Center" wurden nach ihrem ursprünglichen Sinn als ein Hinweis auf die besondere Größe und Bedeutung eines Unternehmens verstanden (BGH GRUR 1977, 503, 504 - Datenzentrale). Der Verkehr erwartete hiernach einen kapitalkräftigen Großbetrieb, der innerhalb eines größeren oder kleineren räumlichen Bezirks die Handelsbeziehungen einer bestimmten Branche ganz oder doch überwiegend zusammenfasst und als Verkehrsmittelpunkt des einschlägigen Marktes in Betracht kommt. Nach der früheren Rspr. war es nicht nötig, dass ein als "Centrale" oder "Center" werbendes Unternehmen auch üb...