Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässige Kurzfassungen von Buchrezensionen
Leitsatz (amtlich)
Die Wiedergabe einer Kurzfassung von Buchrezensionen Dritter (Abstracts) kann zulässig sein, wenn das Abstract einen eigenständigen schöpferischen Gehalt aufweist. Dies hängt vor allem davon ab, wie weit sich das Abstract in Aufbau und Gliederung vom Original unterscheidet und in welchem Umfang Passagen aus dem Originaltext übernommen werden.
Normenkette
UrhG § 12 Abs. 2, §§ 23-24, 97
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 23.11.2006; Aktenzeichen 2-3 O 172/06) |
Nachgehend
Gründe
A. Die Klägerin verlegt die "AB Zeitung" (i.F.: AB). Sie ist zudem Inhaberin der Marken "AB Zeitung" und "AC". Die Beklagte ist ein Unternehmen, das auf der Website "C.de" Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt vorstellt und Buchempfehlungen ausspricht. Ebenfalls finden sich auf dieser Website Buchrezensionen aus verschiedenen renommierten Zeitungen, darunter auch der AC. Dabei werden die Rezensionen deutlich verkürzt in Form von sog. "Abstracts" wiedergegeben, wobei diese Zusammenfassungen grundsätzlich von den Mitarbeitern der Beklagten selbst formuliert sind, aber einzelne, nach Auffassung des Abstract-Verfassers besonders aussagekräftige Passagen aus den Originalkritiken enthalten, die meist durch Anführungszeichen gekennzeichnet sind (s. dazu im Einzelnen Bl. 44-69 d.A., wo die Übereinstimmungen jeweils durch gelbe Markierungen gekennzeichnet sind). Die Beklagte verwertet diese Abstracts auch dadurch, dass sie den Internet-Buchhandlungen "D.de" und "E.de" Lizenzen zu ihrem Abdruck erteilt.
Hiergegen hat sich die Klägerin mit ihrer Klage gewendet, mit der sie wegen dieser Lizenzerteilungen von der Beklagten aus Urheber-, Marken- und Wettbewerbsrecht Unterlassung, Auskunft und Schadensersatzfeststellung verlangt. Durch Urteil vom 23.11.2006 hat das LG die Klage abgewiesen. Die Entscheidung ist im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Klage sei zwar zulässig, insbesondere sei der (Haupt-)Antrag der Klägerin hinreichend bestimmt. Sie sei aber nicht begründet. Denn die Beklagte sei zur Herstellung und Verbreitung der Abstracts nach § 12 Abs. 2 UrhG berechtigt gewesen. Die Grenze zulässiger Inhaltsmitteilung oder -beschreibung im Sinn dieser Bestimmung sei erst dann überschritten, wenn die Lektüre des Originaltextes durch das Abstract ganz oder teilweise ersetzt werde. Dies sei hier - wie das LG im Einzelnen darlegt - zu verneinen, insbesondere darum, weil interessierte Leser sich nicht mit einer Lektüre der Abstracts begnügen, sondern sich gerade aufgrund dieser Lektüre mit der Original-Rezension beschäftigen würden. Markenrechtliche Ansprüche stünden der Klägerin nicht zu, weil die Beklagte die Zeichen "AB" und "AC" nicht markenmäßig verwende; jedenfalls greife die Schranke des § 23 Nr. 2 MarkenG ein. Auch wettbewerbsrechtliche Ansprüche bestünden nicht. Es fehle schon an der wettbewerblichen Eigenart der Rezensionen, da diese nicht geeignet seien, Herkunftsvorstellungen zu erwecken. Zudem lägen keine besonderen unlauterkeitsbegründenden Umstände i.S.v. § 4 Nr. 9a, b und Nr. 10 UWG vor.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung trägt die Klägerin vor:
Die urheberrechtlichen Ansprüche der Klägerin scheiterten nicht an § 12 Abs. 2 UrhG; diese Bestimmung stelle lediglich die bloße Inhaltsmitteilung frei, sie gelte aber nicht für die Übernahme und Aneinanderreihung prägnanter Formulierungen, die allein nach den §§ 23, 24 UrhG zu beurteilen sei. Die vom LG zu § 12 Abs. 2 UrhG vertretene "Substitutionstheorie" sei abzulehnen, weil sie im Gesetz keine Stütze finde; im Übrigen liege auch eine Substitution in diesem Sinn vor, weil die Abstracts der Beklagten nicht auf das ausgewertete Werk (Rezensionen), sondern auf das besprochene Buch hinwiesen und darum dieselbe Funktion hätten wie die in der "F Zeitung" veröffentlichten Rezensionen. In besonderem Maße gelte das in der vorliegenden Situation, in der Interessenten bei einem Internet-Buchhändler recherchierten. § 24 UrhG sei nicht einschlägig, da die Originalrezensionen in den Abstracts der Beklagten nicht ggü. den Beiträgen der Beklagten verblassten. Diese Beiträge beschränkten sich auf die Einfügung von Füllworten; streiche man die übernommenen Passagen, bleibe kein Sinn übrig. Darum handele es sich um unfreie Bearbeitungen i.S.v. § 23 UrhG. Auch § 51 Nr. 2 UrhG sei nicht einschlägig, da in den Abstracts der Beklagten keine inhaltliche Auseinandersetzung mit den jeweils zitierten Rezensionen stattfinde. Schließlich falle der Beklagten auch ein unzulässiges Vervielfältigen der - auch für sich genommen schutzfähigen - wörtlich übernommenen Textpassagen nach § 16 UrhG zur Last.
Daneben sei auch ein Verstoß der Klägerin gegen § 4 Nr. 9b UWG (Rufausbeutung) und § 4 Nr. 10 UWG (Behinderung) gegeben. Durch die Abstracts werde, obwohl die Beklagte keine nennenswerte Eigenleistung erbr...