Leitsatz (amtlich)
Wegeunfälle von und zu Betriebsfeiern genießen den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, stellen aber keine betriebliche Tätigkeit dar. Das Haftungsprivileg des § 105 SGB VII greift deshalb nicht ein.
Normenkette
SGB VII §§ 8, 105 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2/7 O 294/01) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 25.4.2002 verkündete Grundurteil der 7. Zivilkammer des LG Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, die keiner Änderung oder Ergänzung bedürfen, wird gem. § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen.
Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet, sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Es ist kein Berufungsgrund nach § 513 ZPO gegeben, denn weder rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung noch liegt eine fehlerhafte Rechtsanwendung i.S.v. § 546 ZPO vor.
Zu Recht hat das LG die Verpflichtung der Beklagten ggü. dem Kläger zum Schadensersatz aus dem Verkehrsunfall vom 20.8.1998 nach § 3 Pflichtversicherungsgesetz i.V.m. § 328 BGB und § 7 StVG bejaht unter Ablehnung eines Haftungsprivilegs des Schädigers nach § 105 SGB VII.
Die Voraussetzungen einer Haftungsbeschränkung nach § 105 SGB VII liegen nicht vor.
Nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebes verursachen, diesen sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1–4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben. Zwar ist vorliegend unstreitig ein Versicherungsfall nach § 7 SGB VII gegeben, wie auch aus dem anerkennenden Bescheid der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft vom 10.1.2001 (Bl. 124 d.A.) folgt.
Ebenso besteht Versicherungsschutz des Geschädigten in einem Betrieb, dem der Schädiger als Betriebsangehöriger i.S.v. § 105 SGB VII zuzuordnen ist.
Es gibt jedoch durchgreifende Zweifel bereits daran, dass die fahrlässige Herbeiführung des Unfalls durch eine nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII erforderliche betriebliche Tätigkeit des Schädigers erfolgt ist.
Die schädigende Handlung muss für den Schädiger eine betriebliche Tätigkeit sein, das heißt unmittelbar mit den Betriebszwecken zusammenhängen oder sonst rechtlich wesentlich betriebsbedingt sein (Ricke in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand 8/2002, § 105 SGB VII, Rz. 6 m.w.N.).
Wenn eine betriebliche Tätigkeit nicht vorliegt, brauchen die weiteren Voraussetzungen des § 105 SGB VII nicht mehr geprüft zu werden. Die Frage, ob eine betriebliche Tätigkeit vorliegt, ist aus der Person des Schädigers zu beurteilen und unterscheidet sich damit von dem Tatbestandsmerkmal des Versicherungsfalles, für das die Person des Verletzten maßgeblich ist.
Vorliegend ereignete sich der streitgegenständliche Unfall auf der Fahrt von Schädiger und Geschädigtem zu einer außerhalb des Betriebsgeländes stattfindenden Betriebsfeier, d.h. einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung, und ist somit als Wegeunfall i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1–4 SGB VII zu bewerten und nicht – wie die Beklagte meint – als Arbeitsunfall im Sinne eines Unfalls bei der Arbeitstätigkeit nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII.
Nach der st. Rspr. des Bundessozialgerichts gehört die Teilnahme an betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen zur versicherten Tätigkeit, wenn alle Betriebsangehörigen zur Teilnahme an der Feier berechtigt sind, sie mit Willen der Betriebsleitung durchgeführt wird und durch die Teilnahme von Vertretern der Betriebsleitung die betriebliche Verbundenheit der Mitarbeiter mit der Betriebsleitung gefördert werden soll (BSG BSGE 1, 179 ff.;, ebenso LAG Niedersachsen, EzS 140/184); eine Pflicht zur Teilnahme ist nicht erforderlich (OLG Hamm v. 30.9.1998 – 32 U 6/98, VersR 2000, 600 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen vorliegend unstreitig vor, was zudem vom Anerkennungsbescheid der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft bestätigt wird.
Im Unterschied zur Auffassung der Beklagten ist dabei jedoch genau zu differenzieren zwischen den Wegen zu und von einer Betriebsfeier einerseits und andererseits der Teilnahme an der Betriebsfeier selbst, die eine versicherte Tätigkeit i.S.d. § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII darstellt bzw. als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung den dort genannten versicherten Arbeitstätigkeiten „gleichgesetzt” wird (BSG v. 27.2.1985 – 2 RU 42/84; NZA 1985; 575, Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 2 Unfallversicherungsrecht, 199...