Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflichtung zu Anschlussvertrag für Vertragshändler des Automobilherstellers
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Automobilhersteller/Generalimporteur im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems verpflichtet ist, Vertragswerkstätten nach Beendigung des Werkstattvertrages einen Anschlussvertrag anzubieten
Normenkette
GWB §§ 18-20, 33
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 10.12.2014; Aktenzeichen 3-10 O 65/13) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 10.12.2014, 3-10 O 65/13, insgesamt abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin als Jaguar- und Land Rover Vertragswerkstatt zuzulassen.
2. Die Beklagte hat die Kosten aller Instanzen zu tragen.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Wegen des Sachverhaltes und der zuletzt gestellten Anträge wird zunächst auf das erste Berufungsurteil des Senats vom 29.9.2015 Bezug genommen.
Mit Urteil vom 23.1.2018 (.../15) hat der BGH auf die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision der Beklagten das Berufungsurteil des Senats im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin mit ihrem auf Zulassung als Vertragswerkstatt gerichteten Klageantrag (Berufungsantrag zu 1) und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen worden sind, und hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Parteien haben daraufhin ergänzend wie folgt Stellung genommen:
Die Klägerin führt aus, bei den Fahrern von Jaguar-Fahrzeugen handele es sich überwiegend um Endverbraucher; diese legten besonderen Wert auf beste Pflege. Auch stelle die Beklagte werblich besonders heraus, dass nur ihre Vertragspartner über entsprechende Qualifikationen verfügten. Dies gelte insbesondere für das Vorhandensein von qualifizierten Technikern. Für die Mitarbeiter freier Werkstätten würden keine Schulungen angeboten.
Fahrer von Jaguar-Fahrzeugen erwarteten besondere Dienstleistungen und bestmöglichen Service. Folgende Möglichkeiten, die für Jaguar-Kunden von wesentlicher Bedeutung seien, stünden freien Werkstätten nicht zur Verfügung:
- Serviceaktionen, die von den regelmäßigen Serviceintervallen und von Rückrufaktionen zu unterscheiden seien und der Kundenbindung durch unentgeltliche Leistungen zur Sicherung der Langzeitqualität dienten, wie namentlich Austausch von in der Serie defektanfälligen Komponenten an Motor oder Karosserie, sowie Updates der Komfortelektronik oder der Motorsteuerung;
- Zugriff auf die "Fahrzeughistorie" sowie Information des Kunden bereits beim ersten Werkstattbesuch darüber, wann eine Reparatur erfolgen könne;
- Zugriff auf das weltweite Lagerhaltungssystem der Beklagten einschließlich der Möglichkeit, dem Kunden im Wege der Direktannahme mitteilen zu können, ob bzw. wann das erforderliche Ersatzteil lieferbar sei und was es koste;
- Inanspruchnahme des technischen Services der Beklagten im Falle eines komplexen Problems, das von der Werkstatt nicht alleine gelöst werden könne;
- Eintragung des "Servicestempels" in das elektronische Serviceheft OSH (Online Service History)
- Teilnahme am "Jaguar-Care"-Programm, bei dem die Beklagte für Neuwagenkäufer kostenlos 3 Jahre Garantie und Inspektion in Vertragswerkstätten anbiete; hierdurch sorge die Beklagte selbst für einen markengebundenen Ressourcenmarkt.
Als nicht autorisierte Werkstatt habe sie auch keinen Anspruch auf die Belieferung mit sog. Captive Teilen, so dass sie insoweit keine Liefersicherheit habe.
Die Beklagte räume selbst ein, dass die Fahrer ihrer Produkte ganz besondere Erwartungen hätten. Auch baue sie ihre marktbeherrschende Position derzeit weiter aus, indem sie einen eigenen Versicherungsdienst anbiete, der vorsehe, dass die Schadensabwicklung in einer autorisierten Vertragswerkstatt stattzufinden habe.
Dass die Erwartungen der Kunden der Klägerin dahin gingen, von einer autorisierten Vertragswerkstatt betreut werden zu wollen, wobei ihnen bewusst sei, dass sie mit höheren Preisen als bei einer freien Werkstatt zu rechnen haben, ergebe sich aus Kundenbefragungsbögen, die von Kunden der Klägerin (Anlage OK XIX) sowie von Kunden dreier anderer ehemaliger Vertragswerkstätten ausgefüllt worden seien (Anlagen OK XX, XXI, XXII). Daraus ergebe sich, dass die Kunden insbesondere erwarteten,
- dass speziell für ihr Modell geschultes Personal die Arbeiten an dem Fahrzeug durchführten;
- zu erfahren, welche Arbeiten bereits an ihrem Fahrzeug durchgeführt worden seien;
- dass eine genaue Fehleranalyse an ihrem Fahrzeug vorgenommen werde;
- bei Abgabe des Fahrzeugs zu wissen, wann es fertiggestellt sei;
- bereits beim erste...