Entscheidungsstichwort (Thema)
Kartellrecht: markenspezifische Abgrenzung des Ressourcenmarktes für die Reparatur von Personenkraftwagen
Normenkette
GWB §§ 18, 33
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 13.11.2013; Aktenzeichen 3-8 O 81/13) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 13.11.2013, 3-8 O 81/13, wird zurückgewiesen.
2. Klarstellend wird das Urteil des Senats vom 29.7.2014 (auch) in Ziff. 3 aufgehoben.
3. Die Klägerin hat die Kosten aller Instanzen zu tragen.
4. Dieses Urteil und das erstinstanzliche Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Wegen des Sachverhaltes und der zuletzt gestellten Anträge wird zunächst auf das erste Berufungsurteil des Senats vom 29.7.2014 Bezug genommen.
Mit Urteil vom 26.1.2016, KZR 41/14, hat der BGH auf die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision der Beklagten das Berufungsurteil des Senats im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die mit dem Hilfsantrag der Klägerin begehrte Feststellung ausgesprochen worden ist, und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 22.12.2016 (Bd. IV Bl. 138 ff d.A.) ergänzende Hinweise erteilt.
Die Klägerin hat hierzu und zu den Ausführungen des Revisionsurteils im Wesentlichen wie folgt Stellung genommen:
Bei den Fahrern von Marke1-Fahrzeugen handele es sich überwiegend um Endverbraucher; diese legten besonderen Wert auf beste Pflege. Auch stelle die Beklagte werblich besonders heraus, dass nur ihre Vertragspartner über entsprechende Qualifikationen verfügten. Dies gelte insbesondere für das Vorhandensein von qualifizierten Technikern. Für die Mitarbeiter freier Werkstätten würden keine Schulungen angeboten.
Fahrer von Marke1-Fahrzeugen erwarteten besondere Dienstleistungen und bestmöglichen Service. Folgende Möglichkeiten, die für Marke1-Kunden von wesentlicher Bedeutung seien, stünden freien Werkstätten nicht zur Verfügung:
- Serviceaktionen, wie etwa Austausch von in der Serie defektanfälligen Komponenten an Motor oder Karosserie, sowie Updates der Komfortelektronik oder der Motorsteuerung;
- Information des Kunden bereits beim ersten Werkstattbesuch darüber, wann eine Reparatur erfolgen könne. Nur autorisierte Vertragspartner hätten Zugriff auf das weltweite Lagerhaltungssystem der Beklagten und könnten sofort feststellen ob bzw. wann ein erforderliches Ersatzteil lieferbar sei und was es koste;
- Inanspruchnahme des technischen Services der Beklagten im Falle eines komplexen Problems, das von der Werkstatt nicht alleine gelöst werden könne;
- Abstemplung des elektronischen Serviceheftes der Beklagten;
- Programmierung von Schlüsseln und Modulen in den Fahrzeugen;
- Zugang zum Werkstatt-Ersatzwagenprogramm der Beklagten;
- Teilnahme am "Marke1 Care"-Programm, bei dem die Beklagte für Neuwagenkäufer kostenlos 3 Jahre Garantie und Inspektionen in Vertragswerkstätten anbiete.
Als nicht autorisierte Werkstatt habe sie auch keinen Anspruch auf die Belieferung mit sog. Captive Teilen, so dass sie insoweit keine Liefersicherheit habe.
Die Beklagte räume selbst ein, dass die Fahrer ihrer Produkte ganz besondere Erwartungen hätten. Auch baue sie ihre marktbeherrschende Position derzeit weiter aus, indem sie einen eigenen Versicherungsdienst anbiete, der vorsehe, dass die Schadensabwicklung in einer autorisierten Vertragswerkstatt stattzufinden habe.
Entsprechende Rückschlüsse auf Kundenerwartungen von Eigentümern von Marke1-Fahrzeugen ließen sich auch aus allgemeinen Untersuchungen zum Werkstattverhalten im PKW-Bereich ziehen.
Die Beklagte verweist insoweit zunächst auf den DAT-Report 2016 (Anlage OK XVI). Ausweislich dessen seien zwar mehr als die Hälfte aller Werkstätten freie Werkstätten, ihr Anteil an der Gesamtzahl aller Werkstattaufträge (Wartung und Reparatur, incl. Unfallreparaturen) betrage aber nur 43 %; bei bis zu 2 Jahre alten Fahrzeugen würden sogar 94 % der Wartungsarbeiten in Markenwerkstätten durchgeführt (S. 59 DAT-Report). Auch Unfall-Reparaturarbeiten würden überwiegend durch Markenwerkstätten durchgeführt (S. 67 DAT-Report). Der Schwerpunkt der freien Werkstätten liege bei Verschleißreparaturen, und dort im Markt der "Schnelldreher-Reparaturen".
Die im DAT-Report genannten Zahlen seien zwar auf Marke1 nicht 1:1 übertragbar, allerdings sei davon auszugehen, dass infolge der höheren Einkommensstruktur von Marke1-Käufern die Loyalität zur Vertragswerkstatt bei Erst- und Zweitkäufern überproportional höher sei als bei Volumenmarken. Im Übrigen habe sich der Fahrzeugbestand von Marke1 in den letzten 8 Jahren signifikant erhöht, insbesondere nochmals im Jahr 2016, so dass aufgrund der Zunahme...