Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilanerkenntnis nach Widerruf eines Verbraucherdarlehens, Einbehalt von Kapitalertragssteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Erfüllungswirkung der Abführung von Kapitalertragsteuer durch ein Kreditinstitut nach einem Teilanerkenntnis durch das Kreditinstitut und nach Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrages (hier: bejaht)
Normenkette
BGB §§ 346, 355, 362 Abs. 1, § 495; EStG § 43 Abs. 1; ZPO § 767
Verfahrensgang
LG Limburg a.d. Lahn (Urteil vom 22.08.2018; Aktenzeichen 1 O 128/18) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 22.08.2018 verkündete Urteil des Landgerichts Limburg a. d. Lahn (Az.: 1 O 128/18) abgeändert.
Die Zwangsvollstreckung aus dem Teil-Anerkenntnisurteil des Landgerichts Limburg a. d. Lahn vom 27.03.2018 (Az.: 1 O 292/17) wird für unzulässig erklärt.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die klagende Sparkasse wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Zurückweisung einer Vollstreckungsgegenklage bezüglich eines Teil-Anerkenntnisurteils.
Die Parteien führen mit umgekehrten Rubrum einen Rechtsstreit vor der 1. Zivilkammer des Landgerichts Limburg a. d. Lahn (Az. 1 O 292/17). In diesem Prozess hatten die hiesigen Beklagten Ansprüche nach Widerruf von zwei Verbraucherdarlehensverträgen aus dem Jahr 2007 geltend gemacht. Die hiesige Klägerin hatte auf der Grundlage einer von ihr vorgenommenen Berechnung der Rückgewähransprüche einen Teilbetrag von 15.440,44 EUR anerkannt und dabei darauf hingewiesen, dass auf Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung unter Berücksichtigung eines bestehenden Freistellungsauftrages in Höhe von 865,00 EUR ein Gesamtbetrag von 4.051,77 EUR, aufgeschlüsselt in 3.538,66 EUR Kapitalertragssteuer, 194,63 EUR Solidaritätszuschlag und 318,48 EUR Kirchensteuer an das zuständige Finanzamt abzuführen seien. Am 27.03.2018 war ein entsprechendes Teilanerkenntnisurteil ergangen.
Unter dem 12.04.2018 wies der Bevollmächtigte der Beklagten darauf hin, dass die Klägerin an ihn 11.388,70 EUR gezahlt habe und verlangte den nach dem Teilanerkenntnis noch offenstehenden Betrag (Anlage K 2 = Bl. 9 d.A.). Mit Telefax ihres Bevollmächtigten vom 12.04.2018 teilte die Klägerin mit, dass sie den restlichen Betrag von 4.051,77 EUR an das Finanzamt abgeführt habe, und bat im Hinblick auf die gezahlten 11.388,70 EUR um Übergabe des entwerteten Titels (Anlage K 1 = Bl. 7 f. d.A.). Dies wiesen die Beklagten unter dem 16.04.2018 zurück (Anlage K 3 = Bl. 10 d.A.).
Mit anwaltlichem Schreiben vom 24.04.2018 forderten die Beklagten den sich nach erfolgter Teilzahlung ergebenen Restbetrag bis 02.05.2018 (Anlage K 4 = Bl. 19 d.A.). Unter dem 08.05.2018 wiesen sie darauf hin, dass sie keine Vollstreckungsmaßnahme betreiben werde (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 04.06.2018 = Bl. 48 d.A.).
Am 20.04.2018 hat die Klägerin Klage eingereicht, die am 15.05.2018 zugestellt worden ist.
Die Klägerin hat behauptet, sie habe für die Beklagten am 11.04.2018 insgesamt 4.051,77 EUR an das Finanzamt Stadt1 abgeführt.
Sie war der Ansicht, wenn trotz Erfüllungswirkung der Vollstreckungstitel nicht entwertet zur Verfügung gestellt werde, drohe ihr ernsthaft die Zwangsvollstreckung in Höhe des verbleibenden Betrages. Der bloße Verzicht des Gläubigers auf die Zwangsvollstreckung ohne Herausgabe des Titels beseitige das Rechtsschutzinteresse nicht.
Zwar hindere die mit dem Einbehalt der Kapitalertragssteuer verbundene besondere Form der Steuererhebung die Durchsetzung des Anspruchs auf Herausgabe mutmaßlich gezogener Nutzungen und damit eine auf den Bruttobetrag gerichtete Zahlungsklage nicht, wenn die beanspruchten Leistungen der Kapitalertragssteuer durch Abzug von Kapitalertrag nach den §§ 20 Abs. 1 Nr. 7, 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 7b EStG unterfielen und der Steuerentrichtungspflichtige gemäß § 43 S. 2 AO Kapitalertragssteuer nicht abgeführt habe. Der Leistung an den durch das Abzugsverfahren gesetzlich ermächtigten Steuergläubiger durch die Bank habe jedoch Erfüllungswirkung gemäß § 362 Abs. 1 BGB im Verhältnis zwischen der Bank und dem Kunden, wobei die Gerichte außerhalb der Finanzgerichtsbarkeit die Berechtigung des Abzugs nicht zu überprüfen hätten.
Das Bundesministerium der Finanzen unterscheide in dem Schreiben vom 18.01.2016 - BStBl I S. 85, Rz. 8b) - nicht zwischen den Fällen der Auszahlung und der Verrechnung. Vielmehr sei danach allein maßgeblich, ob der Darlehensnehmer aus der Rückabwicklung einen Nutzungsersatz für die von ihm erbrachten Leistungen erhalte, und zwar unabhängig davon, ob er den Nutzungswertersatz separat erhalte oder sich der Saldo aus dem Rückabwicklungsverhältnis um diesen Betrag durch Aufrechnung mindere.
Die Beklagten haben gemeint, der Klägerin stehe eine materiell-rechtliche Einwendung gegen den titulierten Anspruch nicht zu.
Die behauptete Zahlung an das Finanzamt sei mit Nichtwissen zu bestreiten. Dies gelte a...