Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Anforderungen an die wirksame Berichtigung eines Verkündungsprotokolls für ein Urteil. Protokollberichtigung. Scheinurteil. Urteilsentwurf. Verkündungsprotokoll
Normenkette
ZPO § 160 Abs. 3 Nr. 7, § 163 Abs. 1, § 165 S. 1, § 310 Abs. 1, § 315 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 27.01.2009; Aktenzeichen 2-04 O 25/07) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das ihm am 27. Januar 2009 zugestellte Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (2-04 O 25/07) aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem Landgericht vorbehalten. Gerichtsgebühren für die Berufungsinstanz sowie gerichtliche Gebühren und Auslagen, die durch das aufgehobene Urteil verursacht worden sind, werden nicht erhoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Der klagende Rechtsanwalt nimmt das beklagte Land aus Amtshaftung mit Zahlungs-, Feststellungs- und Auskunftsanträgen auf Schadensersatz in Anspruch.
B. I. Die zulässige Berufung hat in der Sache jedenfalls vorläufig Erfolg.
Das Landgericht hat den Rechtsstreit im ersten Rechtszug noch nicht zum Abschluss gebracht. Es hat seine Entscheidung nicht verkündet, so dass es sich bei dem den Parteien zugestellten Schriftstück in Wahrheit nur um einen Urteilsentwurf handelt. Gegen ein solches Scheinurteil kann Berufung eingelegt werden (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. Februar 2004, NJW 2004, S. 1666, 1667; Beschluss vom 3. November 1994, NJW 1995, S. 404; Oberlandesgericht München, Urteil vom 29. April 2011, 10 U 3984/10, juris). Diese führt zu einer Aufhebung des Scheinurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits zwecks Beendigung des noch nicht abgeschlossenen erstinstanzlichen Verfahrens.
1. Gemäß § 310 Abs. 1 ZPO ist ein Urteil zu verkünden. Erst mit seiner Verkündung wird es als gerichtliche Entscheidung existent und bindend; vorher ist es nur ein gerichtsinterner Entwurf (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 3. November 1994, NJW 1995, S. 404; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Auflage 2012, § 310 Rn. 1 und 7; Musielak/Musielak, ZPO, 9. Auflage 2012, § 310 Rn. 1 und 8).
a. Dass das dem Kläger am 27. Januar 2009 zugestellte, von ihm mit der Berufung angegriffene Urteil verkündet wurde, kann nicht festgestellt werden.
aa. Die bei den Akten befindliche Urschrift des landgerichtlichen Urteils trägt zwar den von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterschriebenen Vermerk im Sinne des § 315 Abs. 3 ZPO, das Urteil sei am 21. Januar 2009 verkündet worden. Damit ist die Verkündung aber nicht bewiesen. Denn nach § 165 Satz 1 ZPO kann die Beachtung der für die mündliche Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten, zu denen nach § 160 Abs. 3 Nr. 7 ZPO die Verkündung der Entscheidungen gehört, nur durch das Protokoll bewiesen werden (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16. Februar 1989, III ZB 38/88, juris; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Auflage 2005, § 165 Rn. 11 und 12; Musielak/Stadler, ZPO, 9. Auflage 2012, § 165 Rn. 2; Vorwerk/Wolf/Wendtland, ZPO, Stand 1. Januar 2012, § 165 Rn. 4). Es ist allgemein anerkannt, dass der Verkündungsvermerk gemäß § 315 Abs. 3 ZPO das nach §§ 160 Abs. 3 Nr. 7, 165 Satz 1 ZPO erforderliche Verkündungsprotokoll nicht ersetzen kann (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16. Februar 1989, III ZB 38/88, juris; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Auflage 2012, § 315 Rn. 7; Musielak/Musielak, ZPO, 9. Auflage 2012, § 315 Rn. 9).
bb. Das bei den Akten befindliche Protokoll der Sitzung des Landgerichts vom 21. Januar 2009 beweist in seiner unberichtigten Fassung die Verkündung des landgerichtlichen Urteils nicht.
(1) Das Protokoll enthält zwar die Feststellung, dass das Urteil verkündet worden sei. Gleichwohl ist es nicht beweiskräftig. Denn das Protokoll wurde seinem Inhalt nach von Richterin am Landgericht C erstellt, aber nicht von dieser, sondern von Richterin am Landgericht D unterschrieben.
(a) Falls Richterin am Landgericht C bei dem Verkündungstermin vom 21. Januar 2009 anwesend war, hatte diese gemäß § 163 Abs. 1 ZPO das Protokoll zu unterschreiben und damit die Verantwortung dafür zu übernehmen (vgl. Musielak/Stadler, ZPO, 9. Auflage 2012, § 163 Rn. 1; Vorwerk/Wolf/Wendtland, ZPO, Stand 1. Januar 2012, § 163 Rn. 1). Die Unterschrift des bei dem Verkündungstermin anwesenden Richters ist Voraussetzung für die dem Verkündungsprotokoll gemäß § 165 ZPO zukommende Beweiskraft (vgl. Stein/Jonas/Roth ZPO § 163 Rn. 1; Musielak/Stadler, ZPO, 9. Auflage 2012, § 163 Rn. 1). Ohne eine solche ordnungsgemäße Unterschrift liegt kein gültiges, gemäß § 165 Satz 1 ZPO beweiskräftiges Protokoll vor (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16. Februar 1989, III ZB 38/88, juris Rn. 6; Musielak/Stadler, ZPO, 9. Auflage 2012, § 163 Rn. 1 und 4; § 165 Rn. 4; Vorwerk/Wolf/Wendtland, ZPO, Stand 1. Januar 2012, § 163 Rn. 1). War Richterin am Landgericht C bei dem...