Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Anwendung von § 179a AktG auf Publikums-KG
Leitsatz (amtlich)
§ 179a AktG ist nicht analog auf eine Publikums-KG anwendbar, wenn die Gesellschafter der Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens zustimmen müssen.
Normenkette
AktG § 179a
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 24.06.2022; Aktenzeichen 3-14 O 41/21) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 24. Juni 2022 verkündete Urteil der 14. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main (Az.: 3-14 O 41/21) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Dieses und das mit der Berufung angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird beschränkt auf die Frage, ob § 179a AktG auf eine Publikums-KG anwendbar ist, wenn die Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag der Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens zustimmen müssen, zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Wertstufe bis zu EUR 125.000 festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um das Zustandekommen und die Nichtigkeit eines Gesellschafterbeschlusses.
Die Beklagte ist ein Publikums-KG, deren Gesellschaftskapital sich auf EUR 37.324.307,77 beläuft. Ihr Gesellschaftsgegenstand ist ausweislich § 3 des Gesellschaftsvertrags der Erwerb, die Bebauung, Vermietung, Verpachtung und Verwaltung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten, insbesondere die Errichtung von Verwaltungsgebäuden in Stadt1 im Rahmen einer Miteigentümergemeinschaft nach Wohnungseigentumsgesetz und deren langfristige Vermietung. Sie hält als einzige Immobilie eine mit einem Bürogebäude bebaute und von ihr vermietete Liegenschaft in Stadt1, das sog. "Finanzzentrum Stadt1". Geschäftsführungs- und vertretungsberechtigt sind die Komplementäre A mbH und Herr B.
Der Kläger ist mit Anteilen in Höhe von EUR 102.258,38 Kommanditist der Beklagten.
In § 10 Ziff. 4 des Gesellschaftsvertrags der Beklagten heißt es:
"Zu den folgenden Geschäften bedürfen die persönlich haftenden Gesellschafter der Zustimmung der Gesellschafterversammlung:
[...]
b) Erwerb und Veräußerung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten;
[...]
f) Eingehen von Rechtsgeschäften und Vornahme von Rechtshandlungen, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb des Unternehmens hinausgehen oder für die Gesellschaft von besonderer Bedeutung sind."
In § 11 Ziff. 7 des Gesellschaftsvertrags ist geregelt:
"Die Gesellschafter beschließen über die im Gesetz zwingend vorgesehenen und in diesem Vertrag bestimmten Fälle. Die Gesellschafter sind insbesondere zuständig für folgende Beschlussfassungen:
a) Zustimmungsbedürftige Rechtsgeschäfte gemäß § 10 Ziffer 4 dieses Vertrages,
[...]
f) Änderungen des Gesellschaftsvertrages,
g) Änderungen oder Abweichungen vom Investitionsplan,
[...]
j) Auflösung der Gesellschaft."
§ 11 Ziff. 10 des Gesellschaftsvertrags lautet:
"Alle Beschlüsse bedürfen der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen, soweit nicht durch Gesetz oder in diesem Vertrag etwas anderes bestimmt ist. [...] Beschlüsse zu § 11 Ziffer 7 f) bis h) und j) bedürfen einer Mehrheit von 75 % der abgegebenen Stimmen."
Nach § 11 Ziff. 2 des Gesellschaftsvertrags findet auf Antrag von Gesellschaftern, die mindestens 10 % des Gesellschaftskapitals vertreten, eine außerordentliche Gesellschafterversammlung statt.
§ 24 Ziff. 1 S. 1 des Gesellschaftsvertrags sieht vor, dass die Gesellschaft durch Beschluss der Gesellschafterversammlung, der einer Mehrheit von 75 % der abgegebenen Stimmen bedarf, aufgelöst werden kann.
Wegen des weiteren Inhalts des Gesellschaftsvertrags wird auf die Anlage K2 (im Anlagenband) Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 9. Dezember 2019 (Anlage K3 im Anlagenband) übersandte die geschäftsführende Komplementär-GmbH dem Kläger und den übrigen Gesellschaftern eine Beschlussvorlage zur Beschlussfassung im schriftlichen Verfahren. Beschlussgegenstand war die Zustimmung zur vorzeitigen Veräußerung sämtlicher Miteigentumsanteile der Beklagten an der Fondsimmobilie. Das Schreiben enthält auf S. 5 eine Rückflussbetrachtung. In dieser heißt es: "Es ist geplant, den Liquiditätszufluss nach Kaufpreiszahlung in drei Tranchen an die Anleger auszuzahlen. Die erste große Tranche soll zeitnah nach Kaufpreiseingang auf dem Konto der Fondsgesellschaft und Liquidationsbeschluss unter Berücksichtigung der Bildung entsprechender Reserven für Kosten der Liquidation der Fondsgesellschaft ausgezahlt werden (voraussichtlich 2./3. Quartal 2020). Die zweite Tranche erfolgt nach Ablauf aller kaufvertraglichen und sonstigen Haftungen (voraussichtlich im 2. Quartal 2021). Die dritte und letzte Tranche erfolgt nach vollständiger Schlussliquidation der Gesellschaft, einhe...