Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung bei Angabe von Großkundenpostleitzahl
Leitsatz (amtlich)
Auch eine Postfachanschrift ist als ladungsfähige Anschrift im Sinne von § 14 Abs. 4 BGB-InfoV a.F. anzusehen. Maßgeblich ist die zweifelsfreie postalische Erreichbarkeit des Widerrufsadressaten unter der angegebenen Anschrift.
Normenkette
BGB-InfoV § 14 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 13.11.2015; Aktenzeichen 2-21 O 154/15) |
BGH (Aktenzeichen XI ZR 595/16) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Frankfurt am Main vom 13.11.2015 (Az. 2-21 O 154/15) abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits fallen dem Kläger zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Beklagte wendet sich gegen ihre erstinstanzliche Verurteilung zur Rückzahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 100.331,18 EUR sowie einer Bearbeitungsgebühr in Höhe von 149,54 EUR nach dem Widerruf zweier Darlehensverträge.
Der Kläger schloss als Verbraucher mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: Beklagte) im Oktober 2008 zwei Darlehensverträge (Kontonummern 1 und 2) über Darlehen im Nennbetrag von 600.000,- EUR bzw. 130.000,- EUR. In beiden Darlehensverträgen ist im Anschluss an die Kreditbedingungen folgende Widerrufsbelehrung abgedruckt:
"Widerrufsbelehrung
Widerrufsrecht
Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax) widerrufen. Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform, jedoch nicht, bevor Ihnen auch eine Vertragsurkunde, Ihr schriftlicher Antrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrages zur Verfügung gestellt worden ist. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an:
Bank1 in Stadt1
Banking Services/Credit Services
Kredit-Service-Center
Stadt1
Telefax:...
E-Mail:...
Widerrufsfolgen
Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf. gezogene Nutzen (z.B. Zinsen) herauszugeben. Können Sie uns die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, müssen Sie uns insoweit ggf. Wertersatz leisten. Verpflichtungen zur Erstattung von Zahlungen müssen innerhalb von 30 Tagen erfüllt werden. Die Frist beginnt für sie mit der Absendung ihrer Widerrufserklärung, für uns mit deren Empfang.
Ihre Bank1"
Wegen der äußeren Gestaltung der Widerrufsbelehrung wird auf die Kopien der Darlehensverträge (Anlage K 1 - Bl. 12 ff. d.A.) verwiesen.
Der Kläger erklärte zunächst mit Schreiben vom 29.08.2013 den Widerruf der Darlehensverträge, den die Beklagte nicht anerkannte. Anschließend löste der Kläger die Darlehen zum 30.11.2013 ab. Dabei entrichtete er die von der Beklagten geforderte Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 100.331,18 EUR sowie die Bearbeitungsgebühr in Höhe von 149,54 EUR, nachdem er sich mit Schreiben vom 28.10.2013 (Anlage K 6 - Anlagenband) die Rückforderung dieser Beträge vorbehalten hatte.
Der Kläger hat vorgetragen, es bestehe ein Rückforderungsanspruch in der geltend gemachten Höhe, da er von der Beklagten nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden sei. Die von der Beklagten erteilte Belehrung sei entgegen § 355 BGB a.F. nicht hinreichend deutlich hervorgehoben. Sie sei weder fett oder in Sperrschrift gedruckt noch farblich unterlegt oder hebe sich in anderer Weise deutlich vom übrigen Vertragstext ab. Abgesehen davon könne sich die Beklagte nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 BGB-InfoV berufen. Die Beklagte habe nicht, wie im Muster vorgesehen, eine ladungsfähige Anschrift des Widerrufsadressaten angegeben. Die Belehrung enthalte lediglich eine Postfachanschrift. Unter einer Postfachanschrift könne jedoch keine Ladung erfolgen. Schließlich sei die von der Beklagten erteilte Belehrung auch deshalb fehlerhaft, weil sie nicht ordnungsgemäß über den Fristbeginn belehre. Durch die Formulierung: " [...] jedoch nicht bevor Ihnen auch eine Vertragsurkunde [...]", werde der durchschnittliche Darlehensnehmer nicht über den Zeitpunkt des Beginns der Widerrufsfrist in Kenntnis gesetzt. Zum einen sei durch die Verwendung des Begriffs "Vertragsurkunde" nicht klar, dass erst mit dem Zurverfügungstellen des von beiden Vertragsparteien unterschriebenen Vertrags, der mit "Vertrag" überschrieben sei, die Frist beginne, und nicht bereits mit der Übermittlung der noch nicht unterzeichneten Vertragsunterlagen. Zum anderen sei die Formulierung: "[...] jedoch nicht bevor [...]", geeignet, den Darlehensnehmer dahingehend zu verwirren, ob gegebenenfalls noch ein weiterer Umstand hinzu treten könnte, der ...