Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Entscheidung vom 06.03.1986; Aktenzeichen 2 O 53/84) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 6.3.1986 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 3.600,- DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschwer des Beklagten: 42.080,- DM.
Tatbestand
Die Klägerin zu 1) ließ am 26.2.1981 in der Tagesklinik des Beklagten einen legalen Schwangerschaftsabbruch wegen einer Notlagenindikation - sowohl die Klägerin als auch ihr Partner waren Studenten - durchführen. Am 9.3.1981 war sie zur Nachuntersuchung bei dem Beklagten. Ab 28.3.1981 war sie zusammen mit ihrer Freundin ... für 5 Wochen als sogenannte Rucksack-Touristin auf Kreta. Wegen ihrer Beschwerden suchte sie unmittelbar nach ihrer Rückkehr am 5.5.1980 die Frauenärztin Dr. ... auf, die eine Schwangerschaft in der 19. Woche feststellte. Vom 16.7.-17.8.1981 befand sich die Klägerin zu 1) in der ...-Klinik der ..., welche sie nach einem vorzeitigen Blasensprung aufgesucht hatte. Das Kind kam dennoch 2 Monate zu früh zur Welt; es mußte ein Kaiserschnitt durchgeführt werden. Die Klägerin mußte am Tropf versorgt werden, bekam eine Nierenentzündung und Depressionen und erholte sich erst im November 1981.
Das Kind, der Kläger zu 2), kam schwerstbehindert zur Welt und ist auf ständige Betreuung angewiesen. Seit dem 31.8.1984 ist er von 9-14.00 Uhr in einer Behinderteneinrichtung untergebracht. Die Klägerin mußte ihr Studium aufgeben, sie erhält Sozialhilfe. Der Vater des Klägers, der Student ... der die Vaterschaft anerkannt hat, setzt sein Studium fort.
Die Kläger haben behauptet, der Beklagte habe den Eingriff nicht fachgerecht ausgeführt, insbesondere habe er das abgesaugte Gewebe nicht histologisch untersucht. Außerdem hätte er bei der Nachuntersuchung am 9.3.1981 feststellen müssen, daß die Schwangerschaft fortbestand, insbesondere sei er auch deshalb zu einer gründlicheren Untersuchung verpflichtet gewesen, weil er die gebotene histologische Untersuchung zuvor nicht durchgeführt gehabt habe und auch weil ihm die Klägerin zu 1) auf eine Schwangerschaft hinweisende Beschwerden geschildert habe. Auch habe er die Klägerin zu 1) nicht darüber aufgeklärt, daß das Fortbestehen einer Schwangerschaft nicht ausgeschlossen sei. Hätte sie das gewußt, wäre sie nicht nach Griechenland gefahren und hätte für eine frühere Feststellung der Schwangerschaft gesorgt, so daß diese noch innerhalb der gesetzlichen Frist von 12 Wochen erneut hätte unterbrochen werden können.
Die Kläger haben behauptet, die Komplikationen vor der Geburt, die Tatsache der Frühgeburt und die Behinderung des Klägers zu 2) beruhten auf dem Versuch, die Schwangerschaft zu unterbrechen, wahrscheinlich sei bei der Gewebeabsaugung die Placenta eingerissen worden.
Die Kläger haben beantragt,
I.
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) zu zahlen:
1.
ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, mindestens jedoch 7.000,- DM und zwar begrenzt bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung,
2.
monatlich einen Betrag von 368,- DM ab 1.2.1984,
hilfsweise zu 2.
für den nachfolgend angegebenen Zeitraum festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet sei, für die Zeit nach Vollendung des 18. Lebensjahres des Klägers zu 2) der Klägerin zu 1) Schadensersatz in Höhe des Unterhalts zu leisten, zu dem sie dem Kläger zu 2) gegenüber verpflichtet sei,
3.
für die Zeit von August 1981 bis Januar 1984 Rückstände in Höhe von 11.040,- DM,
II.
festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet sei, den Klägern - vorbehaltlich eines gesetzlichen Forderungsüberganges - allen Mehraufwendungsschaden und Sonderbedarf zu ersetzen, der durch die perinatale Schädigung und geburtliche Behinderung des Klägers zu 2) entstanden ist und noch entstehen werde,
III.
den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger zu 2) ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat vorgetragen, er habe alles getan, um die Schwangerschaftsunterbrechung zum Erfolg zu führen. Er habe das abgesaugte Gewebe makroskopisch untersucht und das sei seit 1981 die übliche und ausreichende Methode gewesen. Bei Schwangerschaftsabbrüchen komme es generell zu einer Fehlerquote von 1,6 %. Es habe bei der Klägerin zu 1) möglicherweise eine weitere Schwangerschaft vorgelegen und bzgl. dieser sei kein embryonales Gewebe abgesaugt worden. Er behauptet, wenn durch seinen Eingriff eine Schädigung des Embryos eingetreten wäre, hätte es zu einer Fehlgeburt kommen müssen. Die Behinderungen des Klägers zu 2) seien auf Komplikationen während der Geburt und dadurch verursachten Sauerstoffmangel zurückzuführen.
Das Landgericht Wiesbaden hat ein Gutachten des Prof. ... von ...