Entscheidungsstichwort (Thema)
Beratung gezogener Gebrauchsvorteile nach Wandelung eines Neuwagenkaufs
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 11.04.2002; Aktenzeichen 19 O 12/01) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 11.4.2002 verkündete Urteil des Einzelrichters der 19. Zivilkammer des LG Darmstadt abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin über den bereits ausgeurteilten Betrag hinaus weitere 802,31 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB ab dem 20.4.2001 zu zahlen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in I. Instanz haben die Klägerin 2 % und die Beklagte 98 % zu tragen.
Von den Kosten der Berufung haben die Klägerin 20 % und die Beklagte 80 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die gem. §§ 511, 517, 519, 520 ZPO statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist im Umfange der Entscheidungsformel begründet, im Übrigen aber unbegründet, weshalb wie erkannt zu entscheiden war.
Nach den Feststellungen des LG in dem angefochtenen Urteil erwarb die Klägerin von der Beklagten am 21.12.1999 einen fabrikneuen Pkw der Marke Opel, Typ Zafira zum Preis von 39.150 DM. Der Kaufvertrag wurde gewandelt. Die Klägerin legte mit dem Wagen bis zur Rückgabe 14.000 km zurück.
Die Prozessparteien streiten im vorliegenden Rechtsstreit nur noch darum, wie der klägerseits gezogene Gebrauchsvorteil zu bewerten ist. Die Klägerin meint dieser sei mit 1.824,90 DM zu bewerten, weil eine Gesamtlaufleistung des Pkws von 300.000 km angenommen werden müsse. Die Beklagte kürzte den zurückzuzahlenden Kaufpreis wegen der gezogenen Gebrauchsvorteile um den Betrag von 3.781,18 DM. Das LG hat in dem angefochtenen Urteil, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, die Nutzungsvergütung auf 4.106,02 DM geschätzt und ist hierbei von einer linearen Gebrauchswertaufzehrung bei einer prognostizierten Gesamtfahrleistung von 150.000 km ausgegangen.
Die Klägerin, die die landgerichtliche Berechnungsmethode grundsätzlich nicht in Frage stellt, geht indessen, wie erstinstanzlich bereits, davon aus, dass von einer Gesamtfahrleistung von 300.000 km auszugehen sei, weshalb der gezogene Gebrauchsvorteil nur mit 1.824,90 DM = 933,06 Euro zu bemessen sei.
Der Wert der gezogenen Nutzungen ist gem. § 281 ZPO zu schätzen.
Auch das erkennende Gericht legt die Berechnungsmethode des LG zugrunde, beziffert aber gleichwohl die Nutzungsentschädigung auf 1.130,98 Euro = 2.212 DM (nämlich 39.105 × 14.000 ./. 250.000).
Das erkennende Gericht geht entgegen landgerichtlicher Schätzung von einer Gesamtfahrleistung des Fahrzeuges von 250.000 km aus.
Die Betrachtungsweise, die den Gebrauchsvorteil nach der mathematischen Formel Bruttokaufpreis mal gefahrene Kilometer, dividiert durch die erwartete Gesamtlaufleistung berechnet, ist in der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt. Hiervon abzugehen sieht das erkennende Gericht keinen Anlass. Soweit die Beklagte zweitinstanzlich den Ansatz dieser Berechnungsmethode in Frage stellt, verkennt sie in ihrer Argumentation, dass Gebrauchsvorteil und Wertverlust nicht gleichzusetzen sind. Während der Wertverlust eines Kfz degressiv verläuft, wird der im Fahrzeug steckende Gebrauchswert linear aufgezehrt, weshalb es nicht systemgerecht ist, den Käufer eines Neuwagens an dem erhöhten Anfangswertverlust des Fahrzeuges zu beteiligen (h.M., vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 8. Aufl. 2003, Tz. 316 ff.; Gaier in MünchKomm/BGB, 4. Aufl. 2003, § 346 Rz. 27; Staudinger/Kaiser, BGB, Neuüberarbeitung 2001, § 347 Rz. 67 f.; Palandt/Heinrichs, 62. Aufl. 2003, § 346 Rz. 10, jeweils m.w.N.; vgl. im Besonderen aber auch BGH, Urt. v. 26.6.1991 -- VIII ZR 198/90, BGHZ 115, 47 = MDR 1991, 1133 = CR 1992, 147 = NJW 1991, 2484; a.A. jedoch der 7. ZS des OLG Celle, Urt. v. 10.1.1991 -- 7 U 10/90, NZV 1991, 230; wie hier jedoch wiederum OLG Celle, Urt. v. 18.5.1995 -- 7 U 78/94 DAR 1995, 404; hierbei bei einem Mercedes 500 SEC von einer Gesamtfahrleistung von 200.000 km ausgehend). Uneinheitlich ist die Rechtsprechung nur bezüglich der Frage, von welcher Gesamtfahrleistung auszugehen ist. Die Autoren Reinking und Eggert (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 8. Aufl. 2003, Tz. 322) gehen von einer Gesamtfahrleistung eines Fahrzeuges zwischen 200.000 und 300.000 km aus. Nach Auffassung des erkennenden Gerichts ist nicht allein auf die durchschnittliche technische Haltbarkeit eines modernen Pkw-Motors abzustellen, wie es die Klägerin offensichtlich tut. Vielmehr muss die Tatsache angemessen berücksichtigt werden, dass im statistischen Durchschnitt Personenwagen nach etwa 11,8 Jahren aus dem Verkehr gezogen werden (Nachweis bei Reinking/Eggert, Der Autokauf, 8. Aufl. 2003, Tz. 319). Unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen jährlichen Fahrtleistung von 20.000 km (der tatsächliche statistische Durchschnittswert bei privat genutzten Pkws liegt niedriger!) ergibt sich damit eine Gesamtlaufleistung von 236.000 km. Vor diesem Hintergrund einerseits und unter Be...