Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallversicherung: Unzulässige Feststellungsklage nach Ablauf der Erstbemessungsfrist
Leitsatz (amtlich)
1. Nach Ablauf der Erstbemessungsfrist ist eine auf Feststellung der Pflicht zur Erbringung der Invaliditätsleistung gerichtete Feststellungsklage regelmäßig unzulässig.
2. Der Leistungsausschluss nach Ziff. 5.2.6 AUB 2008 hat nicht zur Voraussetzung, dass die psychische Reaktion sich als medizinisch nicht nachvollziehbare Fehlverarbeitung des Unfalls erweist.
Normenkette
AUB 2008 Ziff. 2.1.1.1; AUB 2008 Ziff. 5.2.6; VVG § 178 Abs. 1; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 14.05.2021; Aktenzeichen 2-23 O 237/19) |
Tenor
Die Berufung gegen das Urteil der Einzelrichterin der 23. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 14.05.2021, Az. 2-23 O 237/19, wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das angefochtene Urteil und das Berufungsurteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115% des aufgrund des Urteils insgesamt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung, dass diese ihm gegenüber zur Erbringung der bedingungsgemäßen Invaliditätsleistung aus einer privaten Unfallversicherung verpflichtet sei, hilfsweise Zahlung derselben sowie die Feststellung der weiteren Einstandspflicht.
Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Unfallversicherung mit einer Invaliditätsgrundsumme von 25.000 EUR bei vereinbarter 1000% Progression und einer Höchstsumme von 250.000 EUR. Die Voraussetzungen für die Invaliditätsleistung sind in Ziff. 2.1.1 der zugrundeliegenden AUB 2008 der Beklagten geregelt; danach muss die Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten sein und innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und bei der Beklagten geltend gemacht werden. Gemäß Ziff. 5.2.6 AUB 2008 sind "krankhafte Störungen in Folge psychischer Reaktionen, auch wenn diese durch einen Unfall verursacht wurden" vom Versicherungsschutz ausgeschlossen.
Das Unfallereignis, ein behaupteter Anstoß des rechten Ellenbogens an einen Heizkörper am XX.XX.2018, die Unfallbedingtheit einer nachfolgenden großflächigen Infektion des betroffenen Armes und die daraus resultierenden Dauerfolgen im Arm waren in erster Instanz streitig. Wegen der Einzelheiten wird diesbezüglich auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Der Kläger nahm die auf den Unfall vom XX.XX.2018 bezogene Schadenmeldung am 17.07.2018 telefonisch vor. Die Beklagte wies mit Schreiben vom gleichen Tag auf die vertraglichen Invaliditäts-, Feststellungs- und Geltendmachungsfristen hin. Der Kläger habe keine Ansprüche mehr, wenn diese Fristen verstrichen seien. Zugleich übersandte sie ein Schadenanzeigeformular. Der Kläger sandte die ausgefüllte Unfall-Schadenanzeige mit Datum 18.08.2018 unterschrieben zurück. Mit weiterem Schreiben vom 26.07.2018, dessen Zugang der Kläger bestritten hat, erneuerte die Beklagte den Hinweis auf die vertraglichen Fristen. Per E-Mail vom 08.05.2019 übersandte der Kläger einen Therapiebericht. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 16.05.2019 darauf hin, dass dieser Bericht zur Feststellung einer unfallbedingten Invalidität nicht ausreichend sei, und übersandte dem Kläger ein Formular zur Feststellung einer eventuellen Invalidität mit der Bitte, dieses fachärztlich ausgefüllt zurückzusenden. In dem von der Beklagten formularmäßig vorgegebenen "Ärztlichen Erstbericht" vom 07.06.2019, der der Beklagten am 13.06.2019 ausgefüllt wieder zuging, versah der behandelnde Hausarzt die Frage nach Dauerfolgen mit einem Fragezeichen. Handschriftlich ist auf dem Formular vermerkt: "Die Beschwerden sind überlagert durch eine posttraumm. Belastungsstörung und mittelgr. Depression. Insbesondere das Schmerzempfinden kann nur eingeschränkt beurteilt werden".
Mit Schreiben vom 01.07.2019 lehnte die Beklagte ihre Leistungspflicht ab, da die Schleimbeutelentzündung nicht als Unfallfolge, sondern als Erkrankung anzusehen sei. Mit Anwaltsschriftsatz vom 12.08.2019 ließ der Kläger die Beklagte zur erneuten Prüfung der Einstandspflicht auffordern, da der Anstoß an den Heizkörper Ursache der Entzündung gewesen sei. Der Kläger hat die Klageschrift am 10.12.2019 anhängig gemacht. Hinsichtlich der darin geltend gemachten psychischen Beschwerden wird dem Kläger in einem im Lauf des Rechtsstreits vorgelegten fachärztlichen Attest vom 21.02.2020 eine chronifizierte depressive Störung mittelgradiger Stärke (F. 32.1) bescheinigt.
Der Kläger hat vorgetragen, bei ihm sei durch den Unfall zusätzlich zu der Armverletzung eine dauerhafte krankhafte Veränderung der Psyche in Form einer posttraumatischen Belastungsstörung bzw. rezidivierenden depressiven Störung einget...