Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung bei "Sich-Bewusstem-Verschließen" der Kenntnis der Verletzungshandlung
Leitsatz (amtlich)
Im Zusammenhang mit dem Verfügungsgrund der Dringlichkeit trifft den Antragsteller zwar keine allgemeine Marktbeobachtungspflicht; die Vermutung der Dringlichkeit wird grundsätzlich nur dadurch widerlegt, wenn der Antragsteller in Kenntnis der Verletzungshandlung längere Zeit untätig geblieben ist. Das gleiche gilt jedoch, wenn sich der Antragsteller der möglichen Kenntnisnahme bewusst entzogen hat, weil sich die Rechtsverletzung aufgrund konkreter Umstände nach der Lebenserfahrung geradezu aufdrängte (im Streitfall bejaht).
Normenkette
UWG § 12 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 27.03.2018; Aktenzeichen 2-3 O 218/17) |
Tenor
Auf die Berufung der Antragsgegnerinnen wird das am 27.03.2018 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt abgeändert.
Der Beschluss - einstweilige Verfügung - vom 12.7.2017 wird aufgehoben.
Die auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichteten Anträge werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Eilverfahrens beider Instanzen hat der Antragsteller zu tragen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Gründe
I. Die Antragstellerin möchte den Antragsgegnerinnen die Benutzung einer Marke verbieten lassen.
Der Antragsteller vertreibt auf der Handelsplattform Amazon Produkte der Satellitentechnik nebst Zubehör. Er ist Inhaber der nationalen Wortmarke "Marke1", mit Priorität vom 27.8.2005, die am 23.3.2006 für Waren der Klasse 9, unter anderem "Sat-Antennen", "Wandhalter", "Sat-Kabel", etc. eingetragen worden ist. Die Antragsgegnerinnen verkaufen ebenfalls über die Handelsplattform Amazon Produkte aus dem Bereich der Satellitentechnik. Bei der Antragsgegnerin zu 2 handelt es sich um die Geschäftsführerin der Antragsgegnerin zu 1. Sie verwenden in ihren Angeboten die Wortmarke "Marke2".
Mit Schreiben vom 10.01.2017 richtete die Antragsgegnerin zu 1 an den Antragsteller eine Berechtigungsanfrage wegen der Nutzung der "Marke2", bezogen auf 46 Verkaufsangebote (Anlage B2). Im Anschluss meldete der Antragsteller bei Amazon, dass in dem Angebot der Antragsgegnerinnen unter ASIN ... Änderungen in Gestalt der Marke "Marke2" vorgenommen worden seien (Anlage LHR 10).
Die Antragsgegnerinnen boten im April 2017 "Mastschellen" zur Antennenbefestigung auf der Handelsplattform Amazon unter der ASIN ... bzw. ASIN ... an, wobei in den Angeboten die "Marke1" verwendet wurde (Anlagen LHR 6, LHR 7).
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird gemäß § 540 I Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerinnen eine einstweilige Verfügung des Landgerichts vom 12.07.2017 erwirkt, mit der den Antragsgegnerinnen untersagt worden ist,
1. ohne Zustimmung des Antragstellers innerhalb der Bundesrepublik Deutschland im geschäftlichen Verkehr die Bezeichnung "Marke1" für Satellitentechnik und -zubehör zu verwenden, wie aus Anlage LHR 6 und/oder LHR 7 ersichtlich;
2. im geschäftlichen Verkehr in einem Angebot Satellitentechnik und -zubehör unter verschiedenen Marken zu bewerben und/oder anzubieten, wie geschehen auf dem Online-Marktplatz Amazon unter der Identifikationsnummer (ASIN) ... und in Anlage LHR 6 ersichtlich.
Einen weiteren Antrag des Antragstellers hat das Landgericht zurückgewiesen. Auf den Widerspruch der Antragsgegnerinnen hat das Landgericht die einstweilige Verfügung mit Urteil vom 27.03.2018 bestätigt.
Gegen diese Beurteilung richtet sich die Berufung der Antragsgegnerinnen. Im Berufungsrechtszug wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen.
Die Antragsgegnerinnen beantragen,
1. das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 27.03.2018, Az. 2-03 O 218/17 abzuändern und die einstweilige Verfügung der Kammer vom 12.07.2017 aufzuheben;
2. den Antrag des Verfügungsklägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 29.05.2017 zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
Es fehlt an einem Verfügungsgrund (§§ 935, 940 ZPO). Der Antragsteller kann seine vermeintlichen Ansprüche deshalb nicht mit Erfolg im Eilverfahren geltend machen.
1. Aufgrund der von jeder Markenverletzung ausgehenden Gefährdung für die geschützte Marke besteht ein berechtigtes Interesse des Markeninhabers, weitere Verletzungshandlungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes alsbald zu unterbinden; insoweit kann der in der Dringlichkeitsvermutung gem. § 12 Abs. 2 UWGzum Ausdruck kommende allgemeine Rechtsgedanke auch auf das Markenrecht angewendet werden (Senat, WRP 2014, 981 [OLG Köln 28.03.2014 - 6 U 140/13] m.w.N.). Die Eilbedürftigkeit bedarf deshalb in Markenverletzungssachen in der Regel keiner besonderen Darlegung.
2. Die Eilbedürftigkeit entfällt allerdings, w...