Entscheidungsstichwort (Thema)
Eilverfahren: Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung durch Untätigkeit bei Erstbegehungsgefahr
Leitsatz (amtlich)
1. Die Dringlichkeitsvermutung ist widerlegt, wenn der Antragsteller auf eine Berühmung des Verletzers hin, sich in der beanstandeten Weise zu verhalten, längere Zeit untätig geblieben ist. Verhält sich der Verletzer später tatsächlich in dieser Weise, lebt die Dringlichkeit nur dann wieder auf, wenn damit ein "Qualitätssprung" im Vergleich mit der Situation nach der Berühmung verbunden ist (im Streitfall verneint).
2. Ist die Dringlichkeitsvermutung widerlegt, weil der Antragsteller gegen eine bestimmte Verletzungshandlung nicht vorgegangen ist, gilt dies grundsätzlich auch dann, wenn später die gleiche Verletzungshandlung durch einen anderen Verletzer begangen wird.
Normenkette
ZPO §§ 935, 940
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 12.06.2019; Aktenzeichen 2-6 O 164/19) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar
Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 12.6.2019 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Gründe
I. Die Parteien streiten über markenrechtliche Ansprüche.
Von einer Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 II, 313 a ZPO abgesehen.
Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerinnen eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Frankfurt vom 26.4.2019 erwirkt, mit der ihnen die Verwendung des angegriffenen Zeichens untersagt wurde und die Herausgabe der gekennzeichneten Gegenstände an den Gerichtsvollzieher angeordnet worden ist.
Auf den Widerspruch der Antragsgegnerinnen hat das Landgericht die einstweilige Verfügung mit Urteil vom 12.6.2019 aufgehoben und den Eilantrag zurückgewiesen. Es fehle an einem Verfügungsgrund. Gegen diese Beurteilung richtet sich die Berufung der Antragstellerin. Im Berufungsrechtszug wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen.
Die Antragstellerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 12.6.2019, Az. 2-06 O 164/19 abzuändern und die Antragsgegnerin wie folgt zu erkennen:
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben,
es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland Tabakprodukte unter Verwendung des Zeichens
((Abbildung))
zu bewerben und / oder bewerben zu lassen.
Der Antragsgegnerinnen beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die Dringlichkeitsvermutung (§ 140 Abs. 3 MarkenG) widerlegt ist. Die Antragstellerin hat sich durch zu langes Zuwarten selbst in Widerspruch zur Eilbedürftigkeit gesetzt.
a) Die Eilbedürftigkeit entfällt, wenn der Antragsteller längere Zeit untätig geblieben ist, obwohl er positive Kenntnis von Tatsachen hatte, die die Markenverletzung begründen, oder sich bewusst dieser Kenntnis verschlossen hat (Senat, WRP 2017, 1392 Rn. 31). Eine allgemeine Marktbeobachtungspflicht besteht in diesem Zusammenhang zwar nicht (vgl. Senat, GRUR-RR 2017, 404; OLG Köln GRUR-RR 2014, 127, Rn. 12 m.w.N.). Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Antragstellerin bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt die Zeichenbenutzung erkennen konnte. Jedoch kann sich die Antragstellerin nicht auf Unkenntnis berufen, wenn sich die Rechtsverletzung aufgrund konkreter Umstände nach der Lebenserfahrung geradezu aufdrängte. Für das zu lange Zuwarten gelten keine starren Fristen. Ein Zeitraum von sechs Wochen stellt nach den Gepflogenheiten im hiesigen Gerichtsbezirk einen groben Zeitrahmen dar, an dem sich diese Beurteilung orientieren kann (Senat, GRUR-RR 2019, 63 - Mastschellen).
b) Die angegriffenen angeblichen Markenverletzungen betreffen einen Messeauftritt der Antragsgegner in der Zeit vom 26.4. - 28.4.2019 (Anlage LHR 13). Der Eilantrag wurde am 25.4. eingereicht und - in seiner erlassenen Form - am 26.4. konkretisiert. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die Antragstellerin von Benutzungshandlungen der Antragsgegnerin zu 1, wie sie Gegenstand des Eilantrags sind, spätestens seit Januar 2019 Kenntnis haben musste. Mit Anwaltsschreiben vom 10.1.2019 ließ die Antragsgegnerin zu 1 die Klägerin wegen unlauteren Behinderungswettbewerbs im Hinblick auf die angeblich bösgläubige Anmeldung der Verfügungsmarke abmahnen (Anlage LHR 15 der Beiakte ...). In dem Schreiben heißt es, die Antragsgegnerin zu 1 stelle Wasserpfeifentabak unter der Bezeichnung "Al Mahmoud" wie nachstehend wiedergegeben her und beliefere damit Abnehmer in Deutschland, insbesondere Herrn C. Es folgte eine Einblendung eines der Verfügungsmarke des hiesigen Verfügungsantrags weitegehend entsprechenden Zeichens. Bereits mit Schreiben vom 21.12.2018 hatte die Antragstellerin ih...