Leitsatz (amtlich)
Ordnungsgemäßheit einer Rücktritts- und Widerrufsbelehrung zu einem im Jahr 2004 geschlossenen Lebensversicherungsvertrag
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 27.03.2015; Aktenzeichen 4 O 323/14) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 27. März 2015 (Az. 4 O 323/14) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsrechtszuges hat die Klägerin zu tragen.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Das Berufungsurteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf bereicherungsrechtliche Rückabwicklung eines im Jahr 2004 geschlossenen Lebensversicherungsvertrages in Anspruch. Ursprünglicher Versicherungsbeginn war der 1.7.2004 (Versicherungsschein Bl. 11). Dieser wurde später auf Nachtrag der Klägerin verlegt auf den 1.12.2004 (Bl. 12). Die Versicherung wurde im Antragsmodell abgeschlossen (Antrag Bl. 13 ff.).
Im Versicherungsantrag vom 7.5.2004 wurde die Klägerin auch über ihr Rücktrittsrecht und über ihr Widerrufsrecht belehrt (Bl. 14).
Die Klägerin zahlte auf den Vertrag bis November 2009 die Prämien ein, insgesamt 27.831 EUR. Sie kündigte die Lebensversicherung Anfang 2010, woraufhin die Beklagte den Vertrag abrechnete (Schreiben vom 18.2.2010, Bl. 15) und ihr den Rückkaufswert in Höhe von 21.157,60 EUR erstattete.
Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 12.9.2011 (Bl. 16) ließ die Klägerin "Widerspruch des Vertrages" einlegen. Zugleich forderte sie die Beklagte zur Auskunft über die Höhe der Einzahlungen und zur Rückzahlung aller Prämien zuzüglich einer Nutzung von 7 % abzüglich des erstatteten Rückkaufswertes sowie zur Auszahlung des Betrages auf; die Klägerin errechnet sich eine Klageforderung in Höhe von 16.657,60 EUR. Daneben werden 961,28 EUR vorgerichtliche Anwaltskosten geltend gemacht.
Die Klägerin hat vorgetragen, die Belehrung über ihr Rücktrittsrecht sei weder formal, noch inhaltlich ausreichend gewesen (BGH vom 17.12.2014, IV ZR 260/11). Die Belehrung sei optisch nicht ausreichend hervorgehoben. Die Jahresfrist in § 8 Abs. 5 VVG aF sei europarechtlich im Bereich der Lebensversicherung unwirksam. Der Rücktritt habe daher auch im Jahre 2011 trotz der vorangegangenen Kündigung noch wirksam erklärt werden können. Der Vertrag sei daher bereicherungsrechtlich rückabzuwickeln. Im Übrigen bestehe ein Schadensersatzanspruch der Klägerin in gleicher Höhe wegen fehlerhafter Aufklärung über das Rücktrittsrecht.
Die Beklagte hat die Belehrung über das Rücktrittsrecht als inhaltlich und formal zutreffend verteidigt. Einer separaten Unterzeichnung der Rücktrittsbelehrung habe es nicht bedurft. Die von der Klägerin herangezogenen Entscheidungen EuGH vom 19.12.2013 und BGH vom 7.5.2014 (IV ZR 76/11) betreffen nicht den hier einschlägigen § 8 Abs. 5 VVG aF, sondern § 5a VVG aF. Im Übrigen sei die Klägerin nach Treu und Glauben am Rücktritt gehindert, weil sie die Prämien über rund fünf Jahre vorbehaltlos gezahlt habe, nachdem sie ausreichend über ihre Rechte zum Widerruf und zum Rücktritt belehrt worden sei (BGH vom 16.7.2014, IV ZR 73/13). Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben und Nutzungen in Höhe von 7 % auf die eingezahlten Prämien bestritten. Ein Schadensersatzanspruch stehe der Klägerin wegen ordnungsgemäßer Belehrung nicht zu.
Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 27.3.2015 (Bl. 122 f.) abgewiesen, weil ein Widerruf nach vorausgegangener Kündigung des Vertrages nicht mehr möglich gewesen sei. Die Rücktrittsbelehrung sei sowohl formal, als auch inhaltlich ausreichend gewesen. Deswegen bestehe auch kein Schadensersatzanspruch der Klägerin, welche eine darüber hinausgehende, fehlerhafte Beratung nicht dargelegt habe. Außerdem seien sämtliche Ansprüche nach Versicherungsbeginn 1.7.2004 binnen 10 Jahren absolut verjährt am 1.7.2014 und durch die Klage vom 1.9.2014 nicht mehr gehemmt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten und der erstinstanzlichen Anträge wird darauf das Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Die Zustellung des Urteils an die Klägerin erfolgte am 11.5.2015, Bl. 133.
Die Klägerin legte hiergegen Berufung ein am 3.6.2015, Bl. 139.
Zur Berufungsbegründung vom 9.7.2015 macht die Klägerin geltend, aus der Entscheidung BGH IV ZR 76/11 folge, dass ein bereits ausgeübtes Kündigungsrecht einem späteren Widerspruch nicht entgegenstehe. Die Belehrung im Antragsformular sei drucktechnisch nicht ausreichend hervorgehoben (BGH IV ZR 260/11). Erstmals wird ausgeführt, warum die Belehrung auch inhaltlich unzureichend sein soll (Bl. 168 ff.). Es fehle an einer Belehrung über die Schriftform des Rücktritts. Der Hinweis, zur Wahrung der Frist genüge die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs, sei gem. BGH IV ZR 331/14 nicht ausreichend; diese, zu § 5a VVG aF ergangene Rechtsprechung sei auch auf § 8 Abs. 5 VVG aF anwendbar. Die Belehrung über den Rücktritt sei irreführend, weil sie im gleich...