Entscheidungsstichwort (Thema)
Lieferung mangelhafter Bodenfliesen
Leitsatz (amtlich)
1. Ist eine Kaufsache ihrem bestimmungsgemäßen Zweck entsprechend vom Käufer eingebaut worden und stellt sich erst im Nachhinein heraus, dass sie mangelhaft ist, so gehören zu den von dem Verkäufer verschuldensunabhängig zu tragenden Nacherfüllungskosten i.S.d. § 439 Abs. 2 BGB die Kosten für die Lieferung der mangelfreien Sache an den Wohnort des Käufers, für den Ausbau der bereits eingebauten mangelhaften Sache und für deren Entsorgung.
2. Die Kosten für den Einbau einer neuen mangelfreien Sache zählen demgegenüber nicht zum Kostenaufwand nach § 439 Abs. 2 BGB; sie können nur unter den Voraussetzungen der §§ 434 Abs. 1, 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB unter Schadensersatzgesichtspunkten ersetzt verlangt werden.
Normenkette
BGB § 434 Abs. 1, § 437 Nr. 1, § 439 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Kassel (Urteil vom 24.11.2006; Aktenzeichen 4 O 1248/06) |
Nachgehend
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 45,36 m2 Bodenfliesen der Marke Atlas Concord Rosa Baveno, 30 cm × 30 cm, Levigato poliert 3yL8, zu liefern.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.122,37 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 26.1.2006 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 52 % dem Kläger und zu 48 % der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung des Klägers hinsichtlich der Lieferung der Fliesen durch Sicherheitsleistung i.H.v. 1.500 EUR und im Übrigen durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger hat bei der Beklagten Bodenfliesen gekauft und begehrt, nachdem er die Fliesen inzwischen in seinem Haus hat verlegen lassen, wegen behaupteter Mangelhaftigkeit der Kaufsache die Lieferung neuer Fliesen sowie Zahlung von 5.830,57 EUR für zukünftig ihm noch entstehende Beseitigungs- und Einbaukosten.
Der Kläger kaufte am 24.1.2005 bei der Beklagten, die einen Baustoffhandel betreibt, 45,36 m2 polierte Bodenfliesen des italienischen Herstellers Atlas Concord SpA der Sorte "Rosa Baveno" zum Preis von 1.191,61 EUR zuzüglich 16 % MwSt. Er holte die Fliesen bei der Beklagten ab und ließ sie sodann in seinem Haus im Flur, im Bad, in der Küche und auf dem Treppenpodest verlegen. Nach Erledigung der Arbeiten zeigten sich auf dem Fliesenbelag Schattierungen, die mit bloßem Auge zu erkennen sind. Die Beklagte wies die daraufhin von dem Kläger erhobene Mängelrüge nach Rücksprache mit dem Hersteller am 26.7.2005 zurück und lehnte jegliche Art der Nachbesserung ab. Der Kläger leitete in der Folgezeit vor dem LG Kassel ein selbständiges Beweisverfahren (5 OH 72/05) ein. In seinem schriftlichen Gutachten vom 5.1.2006 (Bl. 27-38 der OH-Akte) gelangt der Sachverständige Dipl-Ing. ... zu dem Ergebnis, dass die von dem Kläger bemängelte unterschiedliche Oberflächenbeschaffenheit bei entsprechendem Tageslichteinfall durch das Küchenfenster und bei geöffneter Flurtür zu erkennen sei; bei geändertem Lichteinfall oder bei Kunstlicht seien die Mängel demgegenüber "nicht/kaum" zu sehen. Da es sich um feine Mikroschleifspuren in der Oberfläche handele, die nicht beseitigt werden könnten, könne Abhilfe nur durch einen kompletten Austausch der Bodenfliesen geschaffen werden. Die Kosten für die Beseitigung des vorhandenen Fliesenbelags und eine Neuverlegung hat der Sachverständige mit 5.026,35 EUR zuzüglich MwSt. - seinerzeit 16 % und damit insgesamt 5.830, 57 EUR - beziffert. Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.1.2006 (Bl. 26 Bd. I d.A.) hat der Kläger die Beklagte zur Zahlung von 7.270,14 EUR (einschließlich außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten) bis zum 25.1.2006 aufgefordert.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die optischen Beeinträchtigungen seien ein Mangel i.S.d. § 434 BGB. Hierzu hat er behauptet, die auf der verlegten Gesamtfläche vorhandenen Schattierungen sähen wie Schmutzflecken aus. Er hat gemeint, die Beklagte habe schuldhaft ihre Pflichten aus dem Schuldverhältnis verletzt, weil sie als Fliesenfachhändlerin mit handelsrechtlichen Untersuchungs- und Rügepflichten die Mängel habe erkennen müssen. Daher sei die Beklagte verpflichtet, ihm mangelfreie Bodenfliesen zu liefern und darüber hinaus die ihm durch die Beseitigung der mangelhaften und die Verlegung neuer Fliesen noch entstehenden Kosten zu ersetzen. Der Kläger hat seine Ansprüche auf §§ 280, 281, 284...