Entscheidungsstichwort (Thema)

Wettbewerbsrechtlich Klagebefugnis einer "qualifizierten Einrichtung"; Anforderungen an einen "audiovisuellen Mediendienst"

 

Leitsatz (amtlich)

Die Eintragung eines Verbandes in die Liste qualifizierter Einrichtungen hat konstitutive Wirkung für die wettbewerbsrechtliche Klagebefugnis. An das Vorliegen begründeter Zweifel im Sinne von § 4 IV UKlaG, die zu einer Aussetzung des Rechtsstreits führen, sind hohe Anforderungen zu stellen (im Streitfall verneint).

Die Werbung eines Kraftfahrzeugherstellers in einem "YouTube"-Video muss die nach der der PKW-EnVKV erforderlichen Angaben zu den Verbrauchs- und Emissionswerten enthalten; insbesondere handelt es sich bei der Plattform "YouTube" nicht im einen audiovisuellen Mediendienst im Sinne von Art. 1 I a i der Richtlinie 2010/13/EU.

 

Normenkette

PKW-EnVKV § 5; UKlaG § 4; UWG §§ 3a, 5a Abs. 2, § 8 Abs. 3 Nr. 3

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Entscheidung vom 16.06.2015; Aktenzeichen 12 O 151/14)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 16.06.2015 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000,- EUR abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über Pflichtangaben nach der Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung im Rahmen eines Werbevideos.

Die Klägerin ist Generalimporteurin für Marke1-Fahrzeuge. Sie warb am 17.2.2014 mit einem von ihr auf YouTube veröffentlichten Videoclip für zwei Neufahrzeuge ("Marke1 Fabrikat1" und "Marke1 Fabrikat2"). In dem Video selbst erscheinen keine Angaben zum Kraftstoffverbrauch und zu den CO2-Emissionen der beworbenen Fahrzeuge. Solche erschienen erst bei Anklicken des Buttons "mehr anzeigen". Hinsichtlich des Inhalts des Werbevideos wird auf den Screenshot, Anlage B3 und das Video, Anlage B4 Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 28.2.2014 mahnte der Beklagte die Klägerin ab.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 ZPO).

Die von der Klägerin ursprünglich erhobene negative Feststellungklage haben die Parteien erstinstanzlich übereinstimmend für erledigt erklärt.

Das Landgericht hat die Klägerin auf die Widerklage verurteilt, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Internet auf dem Portal www.YouTube.com für neue Personenkraftwagen, die noch nicht zu einem anderen Zweck als dem des Weiterverkaufs oder der Auslieferung verkauft wurden (im Sinne des § 2 Nr. 1 der Verordnung über Informationen zum Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen neuer Personenkraftwagen), des Modells Marke1 Fabrikat1 und/oder des Modells Marke1 Fabrikat2 jeweils mit Motorisierungsangaben zu werben, ohne zugleich deren Werte des offiziellen Kraftstoffverbrauchs in kombinierten Testzyklus und deren Werte der offiziellen spezifischen CO2-Emissionen in kombinierten Testzyklus anzugeben und sicherzustellen, dass dem Empfänger der Werbung diese Informationen automatisch in dem Augenblick zur Kenntnis gelangen, in dem auf der Internetseite erstmalig Angaben zur Motorleistung der beworbenen Personenkraftwagen gemacht werden, wenn dies geschieht wie in den Videoclip "Marke1 TV-Spot: ..." auf der Internetplattform www.YouTube.com am 17.2.2014, wiedergegeben wie folgt:

(Von der Darstellung des nachfolgenden Bildes wurde aus technischen Gründen abgesehen - die Red.)

Außerdem hat das Landgericht die Klägerin zur Erstattung von Abmahnkosten verurteilt.

Gegen diese Beurteilung richtet sich die Berufung der Klägerin. Im Berufungsrechtszug wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen. Die Klägerin bestreitet die Aktivlegitimation für die Widerklage. Der Beklagte erfülle nicht die Eintragungsvoraussetzungen für eine qualifizierte Einrichtung nach § 4 UKlaG. Der Klage stünde auch der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. Der Beklagte verschaffe sich mit massenhaften Abmahnungen eine Einnahmequelle. Die Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs lägen nicht vor. Bei der Plattform YouTube handele es sich um einen audiovisuellen Mediendienst im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2010/13/EU. Die Klägerin sei deshalb im Rahmen des streitgegenständlichen Videos von den Angaben über den offiziellen Kraftstoffverbrauch und die offiziellen spezifischen CO2-Emissionen befreit. Anders als in dem der Entscheidung "YouTube-Werbekanal II" des BGH zugrundeliegenden Fall gehe es hier nicht um ein Video, das Bestandteil eines Werbekanals sei.

Der Senat hat mit Zustimmung der Parteien mit Beschluss vom 29.3.2016 das Berufungsverfahren bis zur Entscheidung des BGH im Revisionsverfahren I ZR 117/15 (BGH WRP ...

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