Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf einer letztwilligen Verfügung. letztwillige Verfügung. Widerruf
Leitsatz (amtlich)
Art. 26, Abs. 5 EGBGB regelt auch die Frage, nach welchem Statut sich die Wirksamkeit des Widerrufs einer wechselbezüglichen letztwilligen Verfügung richtet (hier: Erschwerung des Widerrufs durch das Erfordernis des Zugangs).
Normenkette
BGB §§ 2271, 2296; EGBGB Art. 26 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Hanau (Aktenzeichen 4 O 1344/07) |
Gründe
I. Die Klägerin macht als vermeintliche Erbin des am ... 2003 in Stadt1 verstorbenen Ehemanns der Beklagten Ansprüche auf Auskunft über den Nachlass und Herausgabe der Nachlassgegenstände geltend und begehrt die Feststellung, Alleinerbin des Verstorbenen zu sein.
Der Erblasser war deutscher Staatsbürger und seit 1963 mit der Beklagten verheiratet. Am 9.7.1973 errichteten die Beklagte und ihr verstorbener Ehemann ein notarielles gemeinschaftliches Testament, mit dem sie sich gegenseitig, der Erstversterbende den Überlebenden, zu alleinigen, unbeschränkten Erben einsetzten. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf Bl. 33-35 d.A. verwiesen. Bis zu seinem Tod hielt sich der Erblasser außer in der Bundesrepublik Deutschland in Stadt2 (Österreich) auf, wo er u.a. eine Wohnung besaß und mit seinem Hauptwohnsitz gemeldet war.
Am 1.3.2003 verfasste der Erblasser in Stadt3 (Bundesrepublik Deutschland) unter Hinzuziehung von drei Testamentszeugen ein mit Schreibmaschine geschriebenes, eigenhändig unterzeichnetes Testament, mit dem er sämtliche bisherigen letztwilligen Verfügungen, soweit sie mit dem folgenden in Widerspruch stehen, widerrief. Ferner ordnete er an, dass sein gesamtes Vermögen der noch zu gründenden Klägerin als seiner einzigen Erbin zukomme. Die Einzelheiten ergeben sich aus Bl. 5 d.A.
Die Klägerin wurde am 14.5.2003 errichtet und am 15.7.2003 in das beim LG Salzburg geführte Firmenbuch eingetragen. Die Beklagte übertrug der Klägerin drei Grundstücke im Wert von über einer Million Euro, Wertpapiere im Wert von 8.500.000 EUR sowie 100.000 EUR an Bargeld.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, aufgrund des Testaments vom 1.3.2003 Erbin des Verstorbenen zu sein. Mit dieser letztwilligen Verfügung habe der Erblasser seine letztwillige Verfügung vom 9.7.1973 wirksam widerrufen. Das Testament vom 1.3.2003 sei nach dem aufgrund Internationalen Privatrechts anzuwendenden österreichischen Recht formwirksam.
Aus der Anwendung des österreichischen Rechts ergebe sich auch, dass das Testament vom 1.3.2003 der Beklagten nicht gem. §§ 2271 Abs. 1, 2296 Abs. 2 BGB hätte zugestellt werden müssen. Im Übrigen könne sich die Beklagte auf eine mangelnde Zustellung auch nicht berufen, da sie während der gesamten Besprechung des Inhalts der Verfügung und während der Abgabe der Erklärung des Erblassers vor den Testamentszeugen im Wohnzimmer des Anwesens Stadt3 anwesend gewesen sei. Abgesehen davon sei die in dem gemeinschaftlichen Testament enthaltene Verfügung des Erblassers nicht wechselbezüglich, da die Beklagte im Gegensatz zum Erblasser im Zeitpunkt der Testierung über kein wesentliches eigenes Vermögen verfügt habe. Der Erblasser habe die vermögenslose Beklagte nicht allein deshalb zu seiner Erbin bestimmt, weil auch sie ihn als ihren Erben eingesetzt habe.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft über den Verbleib der Erbschaftsgegenstände aus der Erbschaft nach dem am 17.10.2003 verstorbenen A zu erteilen;
2. festzustellen, dass die Klägerin Alleinerbin nach dem am 17.10.2003 verstorbenen A ist;
3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin die nach Erteilung der Auskunft noch zu bezeichnenden verbliebenen Nachlassgegenstände sowie die mit den Mitteln der Erbschaft erworbenen Sachen und Rechte sowie die aus der Erbschaft und aus den mit den Mitteln der Erbschaft erworbenen Sachen und Rechten gezogenen Nutzungen herauszugeben.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Widerruf der bisherigen letztwilligen Verfügungen in dem Testament vom 1.3.2003 sei unwirksam, da der Erblasser ihr diesen Widerruf niemals förmlich zugestellt habe.
Durch das angefochtene Urteil hat das LG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass selbst bei einer Formwirksamkeit des Testaments vom 1.3.2003 nach österreichischem Recht mit diesem die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments aus dem Jahr 1973 nicht beseitigt werden konnte. An der Wechselbezüglichkeit der Verfügungen in jenem Testament bestünden keine Zweifel. Schon der Umstand, dass sich die Ehegatten durch eine gleichlautende, völlig identische Verfügung in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu unbeschränkten Erben eingesetzt haben, spreche - unabhängig von der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB - eindeutig für die Annahme der Wechselbezüglichkeit. Das Vorbringen der Klägerin, die Beklagte habe über kein eigenes wesentliches Vermögen verfügt, sei unsubstantiiert. Darüber hinaus sprächen selbst erhebliche Vermögensunte...