Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Auslegung einer konzessionsvertraglichen Endschaftsklausel im Rahmen der Übernahme eines Stromversorgungsnetzes
Normenkette
StromNEV §§ 6-7; EnWG §§ 20-21, 23a, 46; ZPO § 540
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 28.05.2010) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 28.5.2010 verkündete Urteil der 12. Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt/M. unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert.
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Besitz an den für den Betrieb des Stromnetzes der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet Stadt1/... notwendigen gemischt - genutzten Mittelspannungsverteilungsleitungen und -anlagen gemäß Anlage B 4 "Entflechtungsplan der Beklagten" mit Stand vom 6.3.2011 (rot eingefärbte Leitungen), soweit diese im Gemeindegebiet Stadt1/... liegen, zu überlassen, Zug um Zug gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung, wobei der für die Höhe der Vergütung maßgebliche Wert der Verteilungsleitungen und -anlagen der objektivierte Ertragswert ist, der sich auf Basis des netzentgeltkalkulatorischen Restwerts gem. § 6 Abs. 6 der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) vom 25.7.2005 unter Berücksichtigung der kalkulatorischen Restwerte aus dem letzten Genehmigungsbescheid nach § 23a EnWG und der genehmigten kalkulatorischen Nutzungsdauern für die laufende Abschreibung der für den Betrieb des Stromnetzes der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet Stadt1/... notwendigen Verteilungsanlagen ergibt, abzgl. der nicht aufgelösten Baukostenzuschüsse und Anschlusskostenbeiträge nach § 7 Abs. 2 Nr. 4 StromNEV.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die kalkulatorischen Restwerte aus dem letzten Genehmigungsbescheid nach § 23a EnWG und die genehmigten kalkulatorischen Nutzungsdauern für die laufende Abschreibung der für den Betrieb des Stromnetzes der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet Stadt1/... notwendigen Verteilungsanlagen zu übermitteln.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, hinsichtlich der für die allgemeine Versorgung im Gemeindegebiet Stadt1/... notwendigen gemischt genutzten Anlagen Auskunft zu geben
a) über den Bestand durch Vorlage eines Mengengerüsts mit Beschreibung der Anlagen nach Art, Umfang und Anschaffungsjahr,
b) über die Anschaffungs- und Herstellungskosten zum Zeitpunkt der erstmaligen Aktivierung (historische Anschaffungs- und Herstellungskosten), aufgegliedert nach einzelnen Anlagengegenständen mit netzentgeltkalkulatorischen Nutzungsdauern und Anschaffungsjahr.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
3. Die Anschlussberufung der Beklagten (Hilfs-Widerklage zu 3.) wird zurückgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 26 % und die Beklagte 74 %, von den Kosten des zweiten Rechtszuges tragen die Klägerin 30 % und die Beklagte 70 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann eine Vollstreckung in der Hauptsache (Auskunft) gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 50.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen können die Parteien eine Vollstreckung der gegnerischen Partei wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Gegenstand des Rechtsstreits ist die Übernahme des Stromversorgungsnetzes in dem Versorgungsgebiet der Gemeinde Stadt1/... Die Parteien streiten um die Auslegung der konzessionsvertraglichen Endschaftsklausel und damit über den Umfang der herauszugebenden Anlagen und die Höhe des für die Überlassung des Stromleitungsnetzes zu zahlenden Entgeltes.
Die Gemeinde und die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die B AG, schlossen einen Konzessionsvertrag über die Versorgung des Gemeindegebietes mit Strom mit Wirkung vom 1.7.1987 bis 30.6.2007 ab. Vor Auslaufen des Vertrages hat die Gemeinde Stadt1 das in § 46 Abs. 3 EnWG vorgesehene Ausschreibungsverfahren durchgeführt und entschieden, den Vertrag über die Wegenutzungsrechte mit Wirkung zum 1.10.2008 mit der Klägerin abzuschließen (Bekanntmachung Anl. K 3).
Der mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten geschlossene Konzessionsvertrag enthielt in § 6 eine Endschaftsklausel, nach welcher die Gemeinde nach Auslaufen des Vertrags berechtigt ist, die "ausschließlich der Verteilung der elektrischen Energie im Gemeindegebiet dienenden Anlagen" zu übernehmen. Die Gemeinde Stadt1 hat die ihr aus der Endschaftsklausel zustehenden Ansprüche an die Klägerin mit Vereinbarung vom 26./28.10.2009 abgetreten (Anlage K 43).
Wegen der weitergehenden Einzelheiten zum Sach- und Streitstand, der erstinstanzlich gestellten Anträge und Hilfsanträge sowie der tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Das LG hat dem Klagebegehren nur teilweise entsprochen und festgestellt, da...