Entscheidungsstichwort (Thema)
Sittliches Verschulden eines unterhaltsbedürftigen volljährigen Kindes
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Unterhaltsanspruch eines volljährigen Kindes kann aus Billigkeitsgründen nach § 1611 Abs. 1 BGB ausgeschlossen sein, sofern die Unterhaltsbedürftigkeit durch übermäßigen Rauschgift- und Alkoholkonsum herbeigeführt worden ist.
2. Der Unterhaltsanspruch des Volljährigen gegen seine Eltern geht auf den Sozialleistungsträger wegen Leistungen nach dem 6. und 7. Kapitel des SGB XII nur in Höhe von bis zu 20,00 EUR monatlich über, wenn das Kind behindert oder pflegebedürftig geworden ist.
Normenkette
BGB §§ 1601, 1611 Abs. 1; SGB 12 § 94 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Biedenkopf (Urteil vom 02.07.2009) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des AG Biedenkopf vom 2.7.2009 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 140 EUR zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Im Übrigen werden die Berufung des Beklagten und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin macht ggü. dem Beklagten aus übergegangenem Recht (§ 94 Abs. 1 SGB XII) Unterhaltsansprüche geltend, nachdem sie in der Zeit von ... 2007 bis einschließlich ... 2008 Sozialleistungen für K1, den Sohn des Beklagten, erbracht hat.
Insoweit ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Klägerin in dem vorgenannten Zeitraum an K1 Sozialleistungen nach den Bestimmungen des SGB XII gezahlt hat, die höher als 4,028,38 EUR gelegen haben. Der vorgenannte Betrag gliedert sich in sechs Monate à 603,50 EUR und einen Monat à 407,38 EUR auf. Den Anspruchsübergang hatte die Klägerin dem Beklagten unter dem 9.11.2007 gem. § 94 Abs. 1 SGB XII mitgeteilt.
K1 ist am ... geboren. Seit seiner Jugend betreibt er Drogen- und Alkoholmissbrauch. Sämtliche Versuche des Beklagten, ihn zu einer geordneten Lebensführung zu veranlassen, scheiterten und wurden schließlich aufgegeben. Im Jahre ... erlitt K1 aufgrund eines alkoholbedingten Sturzes einen doppelten Schädelbasisbruch, der eine dauerhafte Epilepsieerkrankung zur Folge hatte. Unter dem ... wurden in der Klinik für A Stadt1 u.a. folgende Diagnosen gestellt: Alkoholentzugssyndrom bei Alkoholabhängigkeitssyndrom ..., Leberzirrhose, alkoholinduzierte Hepatitis, symptomatische Epilepsie nach Schädelhirntrauma, Politoxikomanie ..., Verdacht auf alkoholtoxische Enzephalopathie ...,.,. Amtsärztlich wurde am ... und ... festgestellt, dass eine krankheitsbedingte Arbeitslosigkeit voraussichtlich von länger als sechs Monaten, aber nicht auf Dauer vorliege. Am ... 2008 regte die Klägerin bei dem AG Marburg die Einrichtung einer Betreuung an. Darin wurde ausgeführt, dass Herr K1 wegen jahrzehntelangem zum Teil exzessiven Alkoholabusus massiv eingeschränkt sei, Angelegenheiten bezüglich seines Vermögens, der Gesundheit sowie die Vertretung gegenüber Behörden selbst zu regeln. Die Betreuung wurde später eingerichtet.
Der Beklagte trat der an ihn herangetragenen und später klagweise verfolgten Forderung entgegen. Er berief sich auf mangelnde Leistungsfähigkeit. Fest steht allerdings insoweit, dass er über ein monatliches Renteneinkommen von 1,598,28 EUR und Kapitalvermögen i.H.v. über 20,000 EUR verfügt. Außerdem hielt er seine Inanspruchnahme auf Unterhalt für unbillig. Er wandte erstinstanzlich ein, dass er als Vater alles ihm Mögliche versucht habe, um seinen Sohn vom Alkohol abzubringen und ihm eine normale berufliche Entwicklung zu ermöglichen. Nach dem Fehlschlag seiner Bemühungen sei ihm nicht mehr zuzumuten, auch weiterhin für seinen Sohn aufzukommen.
Durch Urteil vom 2.7.2009 hat das AG der Klage teilweise stattgegeben und den Beklagten zur Zahlung von 1,750 EUR verurteilt (sieben Monate à 250 EUR). Dabei hat das AG das Bestehen des Unterhaltsanspruchs dem Grunde nach und den Übergang auf die Klägerin bejaht, die Leistungsfähigkeit des Beklagten jedoch aufgrund der Annahme eines höheren Selbstbehalts und der Berechtigung, Ansparungen für die Altersvorsorge vorzunehmen, als beschränkt angesehen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem vorgenannten Urteil Bezug genommen.
Gegen dieses ihnen am 10.07. und 13.7.2009 zugestellte Urteil haben beide Parteien unabhängig voneinander am 31.7.2009 und 4.8.2009 Berufung eingelegt, die sie am 31.7.2009 und 19.8.2009 begründet haben.
Der Beklagte will unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen erreichen, dass die Klage vollständig abgewiesen wird. Die Klägerin verfolgt demgegenüber ihr erstinstanzliches Klageziel weiter. Sie hält es nicht für gerechtfertigt, durch die Erhöhung des Selbstbehalts und die Zubilligung einer weiteren Altersvorsorge nach Erreichen des Rentenalters eine Schmälerung des Unterhaltsbetrages herbeizuführen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des AG Biedenkopf vom 2.7.2009 abzuändern und den Beklagten zu ver...