Leitsatz

Gegenstand dieses Verfahrens war primär die Frage des Ausschlusses des Unterhaltsanspruchs eines volljährigen Kindes wegen Unterhaltsbedürftigkeit aufgrund vorangegangenen Drogen- und Alkoholmissbrauchs

 

Sachverhalt

Die Klägerin machte ggü. dem Beklagten aus übergegangenem Recht Unterhaltsansprüche für ein volljähriges Kind geltend, an das sie in den Jahren 2007 und 2008 Sozialleistungen erbracht hatte.

Das volljährige Kind hatte seit seiner Jugend Drogen- und Alkoholmissbrauch betrieben. Alle Versuche des Beklagten, seinen Sohn zu einer geordneten Lebensführung zu veranlassen, scheiterten und wurden schließlich aufgegeben.

Im Jahre 2005 erlitt das Kind aufgrund eines alkoholbedingten Sturzes einen doppelten Schädelbasisbruch, der eine dauerhafte Epilepsieerkrankung zur Folge hatte. Amtsärztlich wurde in der Folgezeit festgestellt, dass eine krankheitsbedingte Arbeitslosigkeit voraussichtlich von länger als sechs Monaten, nicht aber auf Dauer vorliege. Im April 2008 regte die Klägerin die Einrichtung einer Betreuung an. Darin wurde ausgeführt, dass das Kind wegen jahrzehntelangem zum Teil exzessiven Alkoholabusus massiv eingeschränkt sei und Angelegenheiten bezüglich seines Vermögens, der Gesundheit sowie der Vertretung gegenüber Behörden selbst nicht regeln könne. Die Betreuung wurde in der Folgezeit eingerichtet.

Der Beklagte trat der an ihn herangetragenen und später klageweise verfolgten Forderung entgegen. Er berief sich zum einen auf mangelnde Leistungsfähigkeit und hielt zum anderen seine Inanspruchnahme auf Unterhalt für unbillig. Er habe als Vater alles ihm Mögliche versucht, seinen Sohn vom Alkohol abzubringen und ihm eine normale berufliche Entwicklung zu ermöglichen. Nach dem Fehlschlag seiner Bemühungen sei ihm nicht mehr zuzumuten, auch weiterhin für seinen Sohn aufzukommen.

Das AG hat der Klage teilweise stattgegeben und dabei das Bestehen des Unterhaltsanspruchs dem Grunde nach und den Übergang auf die Klägerin bejaht, die Leistungsfähigkeit des Beklagten jedoch aufgrund der Annahme eines höheren Selbstbehalts und der Berechtigung, Ansparungen für die Altersversorgung vorzunehmen, als beschränkt angesehen.

Beide Parteien haben gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos, die Berufung des Beklagten erzielte einen Teilerfolg.

 

Entscheidung

Das OLG hatte keine Bedenken gegen einen Unterhaltsanspruch des Sohnes dem Grunde nach sowie gegen seine Bedürftigkeit.

Der Unterhaltsanspruch sei auch nicht aus Billigkeitsgründen nach § 1611 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Eine Unterhaltsverwirkung infolge sittlichen Verschuldens könne nur dann angenommen werden, wenn das volljährige Kind seine Bedürftigkeit durch übermäßigen Rauschgift- oder Alkoholkonsum selbst verursacht habe (KG FamRZ 2002, 1357, OLG Celle, FamRZ 1990, 1142).

In diesem Zusammenhang sei jedoch zu beachten, dass Alkohol- und Rauschgiftsucht häufig als Krankheit anzusehen sei. In diesem Falle komme eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs nur dann in Betracht, wenn das einsichtsfähige volljährige Kind sich weigere, sich einer Erfolg versprechenden ärztlichen Behandlung zu unterziehen oder es nach einer solchen Behandlung die ärztlichen Anweisungen nicht beachte und rückfällig werde.

Davon könne vorliegend nicht ausgegangen werden. Bei dem Sohn sei die Alkoholsucht schon so weit fortgeschritten, dass ihm der Schuldvorwurf nicht mehr gemacht werden könne. Es stehe damit fest, dass dem Sohn ein Unterhaltsanspruch gegen den Beklagten zugestanden habe, der nach § 94 Abs. 1 SGB XII auf die Klägerin übergegangen sei.

Die Inanspruchnahme des Beklagten sei jedoch gemäß § 94 Abs. 2 SGB XII der Höhe nach begrenzt, und zwar auf 20,00 EUR pro Monat.

§ 94 Abs. 2 SGB XII bestimme, dass der Anspruch einer volljährigen unterhaltsberechtigten Person, die behindert i.S.v. § 53 SGB XII oder pflegebedürftig i.S.v. 61 SGB XII sei, ggü. ihren Eltern wegen Leistungen nach dem 6. und 7. Kapitel nur i.H.v. bis 26,00 EUR, wegen Leistungen nach dem 3. Kapitel nur i.H.v. bis zu 20,00 EUR monatlich übergehe. Dabei handele es sich um eine Privilegierung von Eltern behinderter oder pflegebedürftiger Kinder, denen zugute gehalten werde, dass sie durch die Behinderung ihres erwachsenen Kindes ohnehin schwer getroffen seien und nicht auch noch mit hohen Pflegekosten belastet werden sollten.

Diese Voraussetzungen hielt das OLG im vorliegen Fall für gegeben. Danach seien Ansprüche der Klägerin auf 140,00 EUR für insgesamt sieben Monate à 20,00 EUR zu begrenzen.

 

Link zur Entscheidung

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 14.07.2010, 2 UF 238/09

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