Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendung der Vorschriften über den Fernabsatzvertrag bei Umgehungsgeschäft; Vollziehungserfordernis bei Bestätigung einer Unterlassungsverfügung durch Urteil

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird im Eilverfahren eine Unterlassungsverfügung durch Urteil mit abweichender Tenorierung bestätigt, bedarf das Urteil einer erneuten Vollziehung (§ 929 II ZPO) nur, soweit die einstweilige Verfügung inhaltlich erweitert oder verändert wird, nicht dagegen bei einer bloßen Klarstellung des ausgesprochenen Verbots (Fortsetzung der Senatsrechtsprechung).

2. Gibt der Verbraucher über die Internetseite des Unternehmers ein verbindliches Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages ab, welches der Unternehmer sodann ausschließlich im Rahmen eines persönlichen Kontakts in seinen Geschäftsräumen annimmt, liegt ein Umgehungsgeschäft im Sinne von § 312k I 2 BGB vor. Auf der Internetseite müssen daher bereits die nach den Vorschriften über den Fernabsatz erforderlichen Informationen erteilt werden.

 

Normenkette

BGB § 312k; ZPO § 929 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 20.04.2018; Aktenzeichen 3-10 O 15/18)

 

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 20.4.2018 verkündete Urteil der 10. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt a. M. wird auf Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin warb auf einer von ihr betriebenen Internetseite für einen im Einzelnen ausführlich beschriebenen Whirlpool zum Preis von 38.799 EUR. Unter der Überschrift "Jetzt vorab reservieren und Pre-Sale-Rabatt sichern!" konnte der Nutzer bei gleichzeitiger Angabe seiner Kontaktdaten entweder anklicken "Ich möchte unverbindlich reservieren und den Pre-Sale-Rabatt von 5 % sichern" oder "Ich möchte verbindlich reservieren und den Pre-Sale-Rabatt von 10 % sichern" und seine Reservierung über eine entsprechende Schaltfläche absenden. Informationen, deren Erteilung das Gesetz für Fernabsatzverträge und Online-Kaufverträge vorsieht, enthielt die Internetseite ebenso wenig wie einen Link zur OS-Plattform nach Art. 14 ODR-VO. Machte der Nutzer von der Möglichkeit einer verbindlichen Reservierung Gebrauch, konnte er im weiteren Bestellprozess den Zahlungs- und Lieferbedingungen entnehmen, dass durch die Reservierung allein noch kein Fernabsatzvertrag zustande komme; der verbindliche Kaufvertrag komme ausnahmslos in einem persönlichen Gespräch zustande.

Das Landgericht hat der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung sinngemäß untersagt, mit der beschriebenen Internetseite zu werben, ohne die genannten Informationen zu erteilen. Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der Berufung.

Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II i.V.m. 313a ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1.) Die auf der Passivseite im Laufe des Eilverfahrens eingetretenen gesellschaftsrechtlichen Änderungen haben keine maßgeblichen Auswirkungen auf den Rechtsstreit.

Durch den Austritt der Komplementärin Firma1 aus der am Verfahren zunächst auf Passivseite beteiligten Firma2 ist die Kommanditgesellschaft erloschen. Ihr Vermögen ist im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die verbliebene Kommanditistin Firma2 übergegangen, nachdem diese im Wege der Einzelrechtsnachfolge den Anteil der Kommanditistin Vorname1 Nachname2 übernommen hat. Die Firma2 ist daher entsprechend § 246 I ZPO durch identitätswahrende Gesamtrechtsnachfolge in das Verfahren eingetreten und nunmehr Antragsgegnerin des Eilverfahrens.

2.) Der Einwand der Antragsgegnerin, die einstweilige Verfügung sei - zumindest teilweise - nicht rechtzeitig gemäß § 929 II ZPO vollzogen worden, weil auch das Urteil des Landgerichts, mit der die zuvor ergangene Beschlussverfügung in abgewandelter Form bestätigt worden ist, im Parteiwege hätte zugestellt werden müssen, greift nicht durch.

Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Beschluss vom 10.10.2013 - 6 U 181/13 ; juris-Rn. 3 m.w.N.) ist nach Bestätigung einer Beschlussverfügung mit abweichender Tenorierung eine erneute Vollziehung des Urteils lediglich dann erforderlich, wenn die zuvor ergangene einstweilige Verfügung inhaltlich erweitert oder verändert wird; bei einer Beschränkung, Konkretisierung oder bloßen Klarstellung ist eine erneute Vollziehung dagegen entbehrlich.

Danach war eine erneute Vollziehung des angefochtenen Urteils hier nicht geboten, weil mit der Einfügung der Worte "vor Einleitung des Bestellvorgangs" in Ziffern 1., 4. und 5. des Tenors - wie das Landgericht auch im Tenor des Urteils mit Recht zum Ausdruck gebracht hat - lediglich eine Klarstellung des bereits mit der Beschlussverfügung ausgesprochenen Verbots verbunden ist. Zwar wurden damit bei sprachlich-formaler Betrachtung die Anforderungen erhöht, unter denen die Antragsgegnerin dem Verbot gerecht werden kann. Der Sache nach handelte es sich gleichwohl lediglich um eine Klarstellung, weil das mit der Beschlussverfügung erlasse...

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