Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Anspruch auf Unfallrente bei versäumter Frist zur ärztlichen Feststellung der Invalidität
Leitsatz (amtlich)
Versäumt der Versicherungsnehmer die als vertragliche Anspruchsvoraussetzung ausgestaltete Frist zur ärztlichen Feststellung der unfallbedingten Invalidität, kann dies weder entschuldigt noch nachgeholt werden. Der Versicherer ist auch nicht zu einem Hinweis auf diese Frist verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer den Unfall erst nach Fristablauf anzeigt.
Normenkette
AUB 2010 Ziff. 2.1.1.1; VVG § 178 Abs. 1, § 186; ZPO § 256
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Urteil vom 18.09.2020; Aktenzeichen 9 O 143/20) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 18.09.2020 (9 O 143/20) wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil und das mit der Berufung angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der beklagten Unfallversicherung die Feststellung, dass diese ihm zur Zahlung einer Unfallrente verpflichtet sei.
Der Kläger schloss einen Unfallversicherungsvertrag mit der Nr. ... bei der Beklagten ab. Gemäß Versicherungsschein vom 25.01.2012 wurde eine Unfallrente für den Invaliditätsfall von monatlich 700,- EUR vereinbart. Dem Vertrag liegen u.a. die X Allgemeine Unfallversicherungs-Bedingungen 2012 (X AUB 2012) und die X Besondere Bedingungen Unfall classic (X Unfall classic) zugrunde. Voraussetzung für die Zahlung der Unfallrente ist gemäß Ziff. 2.2.1 X AUB 2012 der Eintritt bedingungsgemäßer Invalidität zu einem Grad von mindestens 50%. Invalidität liegt gem. Ziff. 2.1.1 X AUB 2012 dann vor, wenn die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit der versicherten Person unfallbedingt dauerhaft beeinträchtigt ist. Eine Beeinträchtigung ist danach dauerhaft, wenn sie voraussichtlich länger als drei Jahre bestehen wird und eine Änderung des Zustands nicht erwartet werden kann. Die Invalidität muss zudem innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten, innerhalb von 18 Monaten ärztlich schriftlich festgestellt und innerhalb von 18 Monaten nach dem Unfall bei der Beklagten geltend gemacht werden (Ziff. 12 X Unfall classic).
Mit Schreiben vom 26.03.2019 zeigte der Kläger der Beklagten an, dass er sich am XX.XX.2016 beim Sport durch einen Unfall an der Hüfte verletzt habe und diese Verletzung weiterhin bestehe. Die verspätete Anzeige bat er zu entschuldigen, da er aufgrund einer schweren psychischen Erkrankung nicht in der Lage gewesen sei, den Unfall früher anzuzeigen. Mit weiterem Schreiben vom 19.04.2019 nahm der Kläger Bezug auf ein Ablehnungsschreiben der Beklagten vom 08.04.2019 und erläuterte, dass ihm nach dem Unfall empfohlen worden sei, den Grad der Behinderung feststellen zu lassen. Er habe aus Scham nicht den Mut dazu gehabt, denn eine psychische Erkrankung habe ihn massiv daran gehindert. Den Antrag habe er dann am 17.04.2017 gestellt. Mit Bescheid vom 20.07.2018 sei ihm ein Grad der Behinderung von 50% bescheinigt worden.
Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 29.04.2019 ihre Eintrittspflicht unter Bezugnahme auf die verspätete Unfallanzeige ab. Ärztliche Feststellungen zur Invalidität übermittelte der Kläger der Beklagten vorgerichtlich nicht. Im Berufungsverfahren ist - nach Hinweis des Senats - unstreitig geworden, dass binnen der Frist von 18 Monaten keine Atteste über etwaige unfallbedingte Dauerschäden erstellt wurden. Der behandelnde Orthopäde wurde zudem vor Klageerhebung vom Kläger um eine Invaliditätsfeststellung gebeten, was dieser jedoch unter Verweis darauf, dass er dies nicht sagen könne, ablehnte.
Der Kläger hat vorgetragen, er habe sich beim Tennisspielen am XX.XX.2016 in der Türkei äußerst schmerzhaft an der Hüfte mit der Folge einer notwendigen Operation verletzt. Tennis könne er bis heute nicht spielen. Er habe sturzbedingt einen Bandscheibenvorfall mit Stenose erlitten. Er müsse beim Gehen oder längeren Stehen Schmerzen im Hüftbereich in Kauf nehmen. Im Verfahren vor dem Landgericht hat der Kläger zudem eine ärztliche Stellungnahme vom 26.04.2018 des Facharztes für Orthopädie A (Bl. 119 d.A.) sowie einen ca. 2 1/2 Jahre nach dem behaupteten Unfallgeschehen erstellten, undatierten Auszug aus einem Rentenversicherungsbericht (Bl. 120 d.A.) vorgelegt. Der Kläger hat vorgetragen, er habe die bedingungsgemäßen Fristen aufgrund der erlittenen Verletzungen und erheblicher psychischer Beeinträchtigung schuldlos nicht einhalten können.
Die Beklagte hat gemeint, der Feststellungsantrag sei unzulässig, da der Kläger auf Leistung klagen könne. Sie hat sich zudem auf fehlende Schlüssigkeit der Klage, den Nichteintritt der bedingungsgemäßen Leistungsvoraussetzun...