Entscheidungsstichwort (Thema)
Zielfindungsphase nach neuem Architektenrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Der Auftragnehmer eines nach dem 1.1.2018 geschlossenen, die Zielfindungsphase ausdrücklich aufnehmenden Architektenvertrages kann Honorar für darüber hinausgehende Leistungen nur unter der Voraussetzung beanspruchen, dass er die mindestens erforderlichen Ergebnisse jener Phase dem Auftraggeber zur Prüfung vorgelegt und hierzu eine klare Billigungserklärung erhalten hat.
2. Mindestens erforderlich ist eine Kosteneinschätzung, die erkennen lässt, worauf sie sich bezieht und woraus sie hergeleitet ist.
3. Eine formnichtige Kündigung des Architektenvertrages durch den Auftraggeber und die anschließende Schlussabrechnung des Auftragnehmers können als einverständliche Vertragsaufhebung zu werten sein.
Normenkette
BGB § 650p Abs. 2
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 26.04.2021; Aktenzeichen 2-20 O 90/20) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 20. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 26.4.2021 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als (endgültig) unbegründet abgewiesen wird.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das angefochtene und das vorliegende Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % des aus beiden Urteilen vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt Zahlung von weiterem Architektenhonorar in Höhe von 35.944,77 EUR. 3.500 EUR netto zzgl. Umsatzsteuer hat der Beklagte bereits als Abschlag gezahlt.
Der Beklagte beauftragte den Kläger zunächst am 12.4.2019 schriftlich mit dem Aufmaß einer auf seinem Grundstück vorhandenen Scheune (Anl. K1 im Anlagenband). Am 15.4.2019 schlossen die Parteien einen schriftlichen Architektenvertrag (Anl. K11 Bl. 51 ff.). Planungsziel war gemäß § 1 die Umwandlung der Scheune in ein Mehrfamilienhaus einschließlich Bauantrag.
Der schriftliche Vertrag der Parteien sieht in § 3.1 zunächst eine Zielfindungsphase vor. Die vertragliche Regelung verweist auf § 650p Abs. 2 BGB. Es heißt dort weiter, "die Erarbeitung der Planungsgrundlage enthält keine Planungsleistungen gemäß § 3.2. Diese Leistungen werden nach Erteilung der Zustimmung gemäß § 650p Abs. 2 BGB erbracht". Gemäß § 3.1.1 sollten in der Zielfindungsphase die gesamte Leistungsphase 1 und Teile der Leistungsphase 2 erbracht werden einschließlich einer Kosteneinschätzung gemäß "§ 650 Abs. 2 BGB" (gemeint: § 650p Abs. 2 BGB). Für die Zielfindungsphase sieht der Vertrag ein Honorar von 2,6 % der Vergütung nach HOAI vor. § 3.2 des Vertrages enthält eine detaillierte Leistungsbeschreibung anhand der Leistungsphasen der HOAI ab Leistungsphase 2 bis einschließlich zur Baugenehmigung. Ferner waren vereinbart Honorarermittlung nach HOAI, Honorarzone III Mitte, 20 % Umbauzuschlag (§ 6 Abs. 2). Regelungen zur Kündigung enthält der Vertrag nicht.
Zur Grundlagenermittlung schätzte der Kläger beim Aufmaßtermin am 3.5.2019 in Rücksprache mit dem beklagten Auftraggeber voraussichtliche Baukosten vorab in einer Größenordnung von 950.000 EUR und dokumentierte die Leistungen der Phase 1 (Anl. K3 im Anlagenband). Dort heißt es unter Z. 1e) weiter, der Kläger habe mündlich den Auftrag für die Bauplanung Leistungsphasen 1-4 erhalten und werde diese nach schriftlicher Bestätigung ausführen.
Der Kläger fertigte Vorentwürfe vom 7.6.2019 (Anlagenband) mit Grundrissen im Maßstab 1:100, einen zweiten Vorentwurf vom 28.6.2019 (Anlagenband) mit geänderten Grundrissen und Isometrie und einen weiteren Vorentwurf vom 9.8.2019 (Anlagenband) mit abermaligen Änderungen. Zum Beweis dafür, dass diese Planungen den Anforderungen der Leistungsphasen 2 und 3 entsprächen, bezieht sich der Kläger auf Sachverständigengutachten.
Eine erste Kostenschätzung erstellte der Kläger am 30.8.2019 (Anlagenband) in Höhe von 1.243.635,86 EUR netto. Darin sind unter anderem enthalten 813.191,31 EUR für Baukonstruktion, 179.720,14 EUR für technische Anlagen, 32.858,10 EUR für Architekt und 98.466,- EUR für Finanzierung. Außerdem erstellte der Kläger einen Bauzeitenplan. Mit Kostenberechnung vom 6.11.2019 (im Anlagenband) in Höhe von 1.250.803,06 EUR netto wies der Kläger voraussichtliche Baukosten aus. Für deren Richtigkeit bezieht sich der Kläger zum Beweis auf Sachverständigengutachten.
Am 3.1.2020 teilte der Beklagte dem Kläger nach Gesprächen mit seiner Bank per E-Mail mit, mangels Finanzierbarkeit des Objekts werde das Projekt bis auf weiteres nicht realisiert (Anl. K4 im Anlagenband).
Der Kläger legte Honorarschlussrechnung vom 21.2.2020 über restliche 35.944,77 EUR brutto auf der Basis anrechenbarer Kosten gemäß DIN 276 in Höhe von 977.636,16 EUR für die Leistungsphasen 1-3 (Anl. K7). Die anrechenbaren Kosten sind auf der Grun...