Entscheidungsstichwort (Thema)
Schmerzensgeld für Fixierung und Zwangsmedikation ohne richterliche Genehmigung
Normenkette
BGB § 839; GG Art. 2, 34, 104; HFEG § 10; HV Art. 5
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 15.01.2018; Aktenzeichen 2-4 O 82/17) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 15. Januar 2018 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung abgeändert.
Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 12.000,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. April 2017 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche ihr aus der Fixierung und Zwangsmedikation im A-Krankenhaus vom XX. April 2014 bis XX. Mai 2014 entstandenen materiellen und noch entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen.
Das beklagte Land wird ferner verurteilt, an die Klägerin nicht anrechenbare vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von EUR 562,16 zu zahlen.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen hat das beklagte Land zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht im Zusammenhang mit ihrer Einweisung und Behandlung in einer psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses im Rahmen einer Freiheitsentziehungsmaßnahme insbesondere Schmerzensgeld und die Feststellung der Einstandspflicht des beklagten Landes für materielle Schäden geltend.
Die Klägerin brachte am XX.XX.2014 einen Sohn als Frühgeburt zur Welt. Die häusliche Situation in der Folgezeit war sehr schwierig; es kam zu Konfliktsituationen und Streitigkeiten zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann und in diesem Zusammenhang zu drei Polizeieinsätzen am XX.XX.2014.
Am XX. April 2014 ging ein Notruf des Ehemanns der Klägerin auf dem ... Polizeirevier in Stadt1 ein. In diesem Notruf gab der Ehemann der Klägerin sinngemäß an, dass diese krankheitsbedingt in ihrer Wohnung gegenüber ihrer dort ebenfalls anwesenden Mutter tätlich zu werden drohe und die Situation von den Anwesenden nicht mehr zu bewältigen sei.
Daraufhin begaben sich eine Polizeibeamtin und ein Polizeibeamter des ... Polizeireviers zur Wohnung der Klägerin. Durch das Polizeirevier wurden zudem Rettungswagen und Notarzt verständigt.
Die Notärztin diagnostizierte eine "ausgeprägte Wochenbettpsychose" und verabreichte der sehr erregten Klägerin 2,5 mg Dormicum nasal. Die vor Ort anwesenden Polizeibeamten nahmen eine akute Gefahrenprognose an und unterrichteten entsprechend den Polizeibeamten B auf dem ... Polizeirevier, der die sofortige Ingewahrsamnahme der Klägerin anordnete (Anlage B 2, BI. 46 d. A.).
Der Rettungsdienst (...) erstellte ein Einsatzprotokoll (Anlage K 1, BI. 10 f. d. A.) und brachte die Klägerin gegen ihren Willen in das A-Krankenhaus, Abteilung Psychiatrie.
Dort befand sich die Klägerin im Zeitraum vom XX. April 2014 bis zum XX. Mai 2014. Die Klägerin wurde in diesem Klinikum teilweise fixiert und mit Medikamenten therapiert.
Am XX. April 2014 wurde in der Klinik ein psychiatrisches Gutachten erstellt, in dem es unter der Überschrift "Diagnose" heißt: "Verdacht auf postpartale Psychose mit manischen Anteilen". Unterzeichnet wurde dieses Gutachten von dem Chefarzt der Psychiatrie und Psychotherapie, C, der Assistenzärztin D und der Oberärztin E. Wegen der Einzelheiten des Gutachtens wird auf die als Anlage K 2 zu den Akten gereichte Kopie (Bl. 12 ff. d. A.) verwiesen.
Das Amtsgericht (...) - Betreuungsgericht - stellte mit Beschluss vom XX. April 2014 (Anlage B 4, BI. 52 f. d. A.) die Zulässigkeit der sofortigen Ingewahrsamnahme vom XX. April 2014 fest und ordnete die vorläufige Unterbringung der Klägerin in einer geschlossenen Einrichtung bis längstens XX. Mai 2014 an (Aktenzeichen ...). Die dagegen eingelegte Beschwerde der Klägerin wies das Landgericht (...) mit Beschluss vom XX. April 2014 (Anlage B 5, BI. 54 ff. d. A.) zurück (Aktenzeichen ...).
Die Klägerin hat behauptet, die Notärztin sei überfordert und unerfahren gewesen und habe demzufolge eine unzutreffende Diagnose gestellt. Sie - die Klägerin - sei bei dem Eintreffen der Notärztin und der Polizeibeamten lediglich erregt gewesen. Zu keinem Zeitpunkt habe eine Eigen- oder Fremdgefährdung vorgelegen. Die Maßnahmen der Polizeibeamten seien deshalb nicht angezeigt gewesen. Auch die Gabe des Mittels Dormicum sei nicht notwendig gewesen und habe sie - die Klägerin - in ihrer Bewusstseinslage extrem beeinträchtigt. Die falsche Diagnose der Notärztin sei von den Fachärzten in der Klinik übernommen worden. Die Behandlung in der Klinik mit zwangsweiser Verabreichung von Neuroleptika und zwangsweisem Abstillen sei nicht notwendig gewesen. Auch sei sie dort unter menschenunwürdigen Bedingungen am XX./XX. April 2014, vom XX. bis zum XX. April 2014 sowie vom XX. April bis XX. Mai 2014 fixiert worden. Zudem sei bei ihr...